Eine Stadt feiert: Vor 750 Jahren, am 30. Mai 1274, erhielt die Stadt Landau aus den Händen des damaligen Königs Rudolf I. die Rechte einer Stadt. Ein ungemein wichtiger Meilenstein, den das Landauer Stadtarchiv zum Anlass für eine historische Zeitreise nimmt. Stadtarchivarin Christine Kohl-Langer und ihre Mitarbeitenden stellen jede Woche eine von insgesamt 52 Biografien von Landauerinnen und Landauern vor und werfen so spannende Schlaglichter auf 750 Jahre Stadtgeschichte, vom Mittelalter bis in die Neuzeit.
Die Texte erscheinen immer mittwochs in der Tageszeitung DIE RHEINPFALZ und anschließend auch hier auf der städtischen Internetseite.
Eine Stadt feiert! In diesem Jahr werden wir einen juristischen Akt würdigen, der 750 Jahre zurückliegt, der in lateinischer Sprache den meisten nur in einer Übersetzung verständlich ist und der dennoch für uns Landauerinnen und Landauer identitätsstiftend ist: Wir leben seit Jahrhunderten in einem urbanen Umfeld, das auf die Region in all seinen Konsequenzen ausstrahlt. Und wohl auch in Zukunft als Mittelzentrum in der Region von Belang sein wird.
Am 30. Mai 1274 verlieh Rudolf von Habsburg der Ansiedlung an der Queich, die seit einigen Jahren städtische Strukturen aufweisen konnte, die Stadtrechte. Was für ein Tag! Und dabei für die damalige Zeit nicht besonderes. Mit diesem zentralen Herrschaftsinstrument wurden auch andere Ortschaften, wie Germersheim, sogar Godramstein und Bergzabern, um nur eine kleine regionale Auswahl zu nennen, zwischen 1276 und 1286 von dem Habsburger privilegiert.
Rudolf war, wie häufig, nicht selbst vor Ort, sondern in Haguenau, unserer seit vielen Jahrhunderten verbundenen Partnerstadt im Elsass. Und deren Stadtrechte verlieh er dem „Oppidum“ seines Neffen Emich IV. von Leiningen. Alles andere als spektakulär, sondern Alltagsgeschäft eines Königs, der damit strategisch den Ausbau seiner politischen und wirtschaftlichen Macht plante.
Die Urkunde existiert nicht mehr, sie ging bei der Belagerung während der Französischen Revolution 1793, wie anderes Schriftgut aus dem Mittelalter, verloren. In unserem Archiv kennen wir zwei Abschriften dieser Urkunden in sogenannten Kopialbüchern. Die älteste Abschrift stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert, zu lesen im „Großen Ratsbuch“ der Stadt, ein Foliant mit Holzdeckel und Beschlägen aus Metall, der auch im Museum für Stadtgeschichte gezeigt wird.
Von zentraler Bedeutung war die Verleihung des Marktrechtes. Für das Wirtschaftsleben hatten diese nun wöchentlich, immer mittwochs, stattfindenden Marktangelegenheiten eine große Bedeutung. Die Lage, die Funktion als Umschlagplatz, Art und Menge der zum Markt gebrachten und umgesetzten Waren, der rechtliche Schutz der Marktbezieher und der Betrieb des Marktverkehrs gehörten zum Erwerbsleben der Bewohner einer Stadt. Der wöchentliche Markt war über viele Jahrhunderte hinweg mit seinen Einrichtungen der Mittelpunkt der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens in Landau und der Umgebung. Die verliehenen Stadtrechte von Haguenau, die nun auch in Landau galten, werden nicht explizit genannt, sind jedoch sehr vielfältig. Zentrale Kennzeichen einer mittelalterlichen Urbanität in des „Landes Aue“ waren neben dem Marktrecht, die schützende Befestigung, die städtische Verfassung mit einer funktionierenden Verwaltung und die städtische Gerichtsbarkeit, die nun durch die Privilegierung bestätigt und ausgebaut werden konnten. 1291 erneuerte Rudolf von Habsburg die Privilegierung, übrigens wieder in Haguenau, und er bestätigte nun unserer Stadt die Rechte und Freiheiten einer Reichsstadt.
Und Landau nahm einen rasanten Aufschwung. Der Markt regte Handel und Verkehr an und förderte nicht zuletzt auch die Ausbildung und Entfaltung des mit dem Kleinhandel eng verbundenen Handwerks und Gewerbes. Marktgeschehen und der Marktplatz, im Mittelalter um die Stiftskirche in enger Nachbarschaft zum mittelalterlichen Rathaus und der Engel-Apotheke, bildeten während des gesamten Mittelalters hindurch, das Zentrum städtischen Lebens. Der Umfang der Stadt ist uns allerdings weitgehend unbekannt, wahrscheinlich glichen die Umrisse einem Rechteck, begrenzt im Westen von der Waffenstraße, im Norden von der Kramstraße, im Osten von der heutigen Weißquartierstraße und im Süden von der Reiterstraße. Wie bei jedem Wandel, jeder Veränderung gab es aber auch Verlierer: Die umliegenden Dörfer Eutzingen, Mühlhausen, Oberbornheim und Servelingen konnten nicht Schritt halten, sie sind uns heute nur noch in Form von Hinweisen bekannt.
52 Landauer Leute oder Personen, die die Stadtentwicklung entscheidend beeinflussten, werden Sie in diesem Jahr jeden Mittwoch auf einer historischen Zeitreise begleiten. Es werden uns Bekannte begegnen, aber auch bislang ungenannte Männer und Frauen werden erzählen, wie es sich in einer Stadtgesellschaft lebte, die in der Region immer eine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zentrumsfunktion innehatte. Und warum mittwochs? Ganz einfach: Der 30. Mai 1274 war ein Mittwoch!
Ein Territorium kommt selten allein – dies stellte Graf Emich IV. von Leiningen, Spross eines einflussreichen pfälzischen Adelsgeschlechtes mit Stammsitz auf Burg Altleiningen, bereits in jungen Jahren unter Beweis. Machtbewusst stritt der erst 22-Jährige mit seinem Bruder um das väterliche Erbe. Der Onkel, der Speyrer Bischof von Eberstein, vermittelte, und Emich erhielt 1237 u.a. die Leininger Hälfte, der in diesem Zusammenhang erstmals urkundlich erwähnten Burg Landeck mit den dazugehörigen Orten und Rechten. Und mit jedem Jahr wurden es mehr: Die Madenburg mit den umliegenden Dörfern und die heutigen Landauer Stadtdörfer Arzheim, Nußdorf, Dammheim und Queichheim waren nun Teil seiner territorialen Ansprüche.
Und zwischen all jenen Gebieten, umgeben von Queichsümpfen, lag sie: des Landes Aue. Noch unbedeutend und wenig bevölkert. Emich wusste, dass zügiges Handeln nur von Vorteil sein konnte. Und er sah das Potential dieser kleinen Ortschaft. An der Queich erhob sich bald eine kleine Burg, die die Siedlung schützte und ihre Entwicklung förderte. Landau entfaltete sich sowohl wirtschaftlich, als auch administrativ. Bald glich die Siedlung einer Stadt, was auch Emich nicht entging. So bezeichnete er bereits 1268 Landau in einer Urkunde als civitas nostra, also als „unsere Stadt“.
Territorienbildung und –ausweitung im Stile Emichs war die Grundlage für die Schaffung einer urbanen Struktur. Die Umwandlung zu einer bewohnten und bewirtschafteten Siedlung zeigen an: Hier soll ein Zentrum geschaffen werden. Erste städtische Strukturen wie die der Selbstverwaltung deuten auf einen urbanen Fortschritt hin, aus der zunächst unbedeutenden Siedlung erwuchs eine florierende Siedlung.
Auch politisch verfolgte Emich eine Taktik. Er wechselte ständig die Lager, von der staufertreuen zur päpstlichen Politik und zurück. Dahinter stand ein ausgeklügeltes - und vor allem erfolgreiches - System. Mit dem neugewählten König Rudolf von Habsburg war er in gutem Kontakt, standen die beiden doch in verwandtschaftlicher Beziehung, was noch weitreichende Folgen haben sollte.
Viel wissen wir nicht von ihr, der zweiten Ehefrau von Emich IV. von Leiningen. 1268, sechs Jahre vor der Verleihung der Stadtrechte, begegnet sie uns in einer zentralen Landauer Urkunde. In diesem Schriftstück begünstigen Emich und seine zweite Ehefrau Margarete ein Hofgut des Eußerthaler Kloster in Landau, am Standort der Roten Kaserne, und weitere Klostergüter in Bornheim und Dammheim. Diese Urkunde gilt bis heute als eine Ersterwähnung Landaus, hier sprechen Emich und seine Frau auch zum ersten Mal von „ihrer Stadt Landau“.
Wer war nun jene Margarete von Sponheim? Margarete war die einzige Tochter und Erbin des Grafen Eberhard II. von Jülich aus dem Hause Hengebach. Auch sie war verwitwet, ihr erster Mann, Simon I. von Sponheim-Kreuznach, war 1264 im Alter von 49 Jahren gestorben. Die Grafschaft Sponheim war ein ehemaliges reichsunmittelbares Territorium in der Nahe-Hunsrück-Gegend. Im gleichen Jahr war auch die erste Ehefrau Emichs, Elisabeth d' Aspremont, auf der Burg Landeck verstorben.
Nur wenige Monate später schlossen nun Emich IV. und Margarete von Sponheim-Kreuznach eine mit erheblichen Geldsummen einhergehende Heiratsvereinbarung, die auch die Vermählung ihrer Kinder vorsah: So sollte der Sohn Emichs die Tochter Imagina von Sponheim und Adelheid von Leiningen den Sohn Margaretes, Johann den I. von Sponheim, ehelichen. Man beschloss eine Dreifachhochzeit, von Zuneigung war dabei keine Rede.
Zweck dieser Eheschließungen waren Erhaltung und Ausweitung der politischen und wirtschaftlichen Macht. Und für Emich lagen die Vorteile klar auf der Hand: Mit dieser Ehe vergrößerte er seine Machtposition und auch Margarete konnte für sich und ihre Kinder einen standesgemäßen Einfluss sichern.
Als Herrschaftsaufgabe wurde adeligen Frauen die Beeinflussung ihrer Ehemänner zur Barmherzigkeit aufgetragen. Konkret sollten sie als Petentin und Vermittlerin agieren. Und das insbesondere in Angelegenheiten der Religion, des Glaubens und der Kirche.
Insofern war es für unsere mittelalterliche Stadtgesellschaft von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung, dass dem regional einflussreichen Eußerthaler Kloster, in Landau wirtschaftliche Vorteile eingeräumt wurden. Margarete starb 1291, zehn Jahre nach ihrem Ehemann Emich.
Übrigens: Sohn Emich V. heiratete schließlich doch nicht seine Stiefschwester, sondern eine Tochter der Kunigunde von Habsburg, wahrscheinlich die bessere Partie.
Von 2.223 ausgefertigten Urkunden gingen 662 an eine Stadt und unter den 943 Empfängern waren 222 Städte: Schon diese Menge an Schriftgut zeigt, wie wichtig dem 1273 in Aachen gekrönten König Rudolf von Habsburg eine erfolgversprechende Städtepolitik war. Der König schien hochmotiviert, so viele Städte wie nur möglich mit Stadtrechten auszustatten. Man könnte beinahe von einem Privilegierungsdrang sprechen. Und was hatte Rudolf von alldem? Eines ist sicher, aus Selbstlosigkeit verhalf er den Städten nicht zur Blüte. Die Gründe sind in erster Linie in der Reichspolitik zu finden. Während der kaiserlosen Zeit war früheres Reichsgut in fremde Hände übergegangen. Dies konnte der 55-jährige König nicht akzeptieren - er forderte es nun zurück und organisierte es neu.
Auf die Bitte seines Neffen, des Landauer Territorialherrn Emichs IV. von Leiningen, sollten nun auch dessen Siedlung besondere Rechte zugesprochen werden. Am 30. Mai 1274 war es soweit: Landau bekam seine Stadtrechte durch den König verliehen. Wenn das nicht nach Freiheit roch! Die Burg auf der Land Aue war ebenso ein Teil des Reichslehens. Kein Wunder also, dass Rudolf sie förderte und aufwertete. Zusätzlich bekam er von der Stadt finanzielle Zuwendungen.
Die Privilegien waren dieselben wie die der Stadt Hagenau. Zu den wichtigsten Rechten zählten die Selbstverwaltung und der Wochenmarkt. Sie bedeuteten Freiheit und Selbstbestimmung, aber auch Existenzsicherung und Bevölkerungszuwachs. So verstaubt die „mittelalterliche Stadt“ auch klingen mag, Grundelemente sind bis heute erhalten. Freiheitliche Rechte, wie die städtische Gerichtsbarkeit, bildeten die Handlungsgrundlage für eine Stadt und waren Ausdruck einer mittelalterlichen Urbanität.
Auf die erste Privilegierung für Landau folgte bald die nächste. Im Jahr 1291 wurde die Stadt zur Reichsstadt erhoben. Und damit ergatterte sie einen besonders hohen Rang in der Städteordnung. Durch diese Privilegierungen gelang es Landau, sich schnell weiter zu entwickeln und bestimmte Handlungen zu vollziehen.
Rudolf starb am 15. Juli 1291 in Speyer. Er inszenierte seinen Tod am Ort der Grablege von salischen und staufischen Königen und manifestierte damit den Anspruch der Habsburger auf deren Nachfolge.
Wir haben nur wenige Informationen zur mittelalterlichen Sozialstruktur. Immer wieder begegnen uns Juden in der aufstrebenden Stadtgesellschaft an der Queich. Die ersten namentlich erwähnten Juden sind das Ehepaar Neiher und Selkint Nase, die 1329 in der „oberen Judengasse“ mit zwei Häusern begütert waren. Möglich, dass die frühere „Große Judengasse“, die heutige Theaterstraße, mit der mittelalterlichen „Oberen Judengasse“, 1319 zum ersten Mal erwähnt, identisch ist. Auch dürfen wir uns dort kein jüdisches Getto vorstellen, vielmehr gibt es zahlreiche Belege dafür, dass in jenen Judengassen auch christliche Nachbarschaft ansässig war.
Das unzusammenhängende, in verschiedenen Archiven lagernde Schriftgut zur jüdischen Gemeinde im mittelalterlichen Landau, ergibt kein stringentes Bild. Wir können jedoch davon ausgehen, dass seit Mitte des 13. Jahrhunderts jüdische Familien in Landau lebten und arbeiteten, ihrem religiösen Ritus nachgehen konnten und eine nicht unerhebliche Steuerleistung aufzubringen vermochten. Als Händler und Kaufleute waren jüdische Stadtbewohner zwar willkommen, dennoch lebten die meisten Juden im Mittelalter stets in einem Spannungswechsel zwischen Duldung und Ausweisung und häufig genug in prekären Verhältnissen.
Wir wissen nicht, wie es dem Ehepaar Nase in der Stadt erging. Ob sie wohl die 20 Jahre später grassierende Pest in Landau erlebten? Auch über den lokalen Verlauf dieser Epidemie im Jahr 1349 wissen wir kaum etwas. In Speyer und Worms etwa, wurde der jüdischen Bevölkerung die Schuld an der Seuche zugeschoben, dort wurden sie verfolgt und aus den Städten zeitweise ausgewiesen. Nichts lässt vermuten, dass es in Landau anders gewesen sein sollte.
Eigentlich ist es eher selten, dass nennenswerte biografische Daten zu Landauer Persönlichkeiten aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit überliefert sind. Jakob Hartlieb, genannt Wallsporn, ist eine Ausnahme. Er war nicht nur Schultheiß und vermögender Bürger der Stadt, er hinterließ zudem ein „mit starkem Zwirn geheftetes“ Tagebuch, in dem er zwischen 1470 und 1499 Auskunft zu seinem Leben gab. So erfahren wir einiges über seinen Besitz, der aus Kauf- und Pfandbriefen, aber auch aus Landbesitz in den Gemarkungen Mühlhausen, Eutzingen und Wollmesheim bestand. Aber auch Privates und Alltägliches hielt er fest. So zum Beispiel alle Namen seiner 15 Kinder und Daten zu ihren einflussreichen und vermögenden Paten. Ganz in der Tradition des mittelalterlichen Hausvaters hielt er in seinem „Hausbüchlein“ auch Rezepte zu Gallensteinen oder Geschwüren fest. Leider ist das Original während des Zweiten Weltkrieges verloren gegangen, zum Glück besitzen wir eine handschriftliche Zusammenfassung aus dem 19. Jahrhundert.
Jakob Hartlieb wurde 1441 in Landau geboren, den Beinamen verdankte er der Großmutter väterlicherseits, der Landauerin Agnes Wallsporn. Jakob studierte an der Heidelberger Universität Rechtswissenschaften und heiratete Elisabeth Weinheimer aus Mosbach. Die Familie war vermögend, im Landauer „Pfennigbüchlein“, dem Verzeichnis der Reichssteuerabgaben, des „Gemeinen Pfennigs“ aus den Jahren 1495/1510, steht er mit seinem Hausstand an erster Stelle der Steuerzahler.
1479 wurde er vom Bischof von Speyer, an den seit 1324 die Stadt verpfändet war, zum Schultheißen der Stadt Landau ernannt. Er schwor den noch vorhandenen Landauer Schultheißen-Eid, nämlich die Rechte des Reiches und des Bischofs von Speyer zu bewahren und dem Rat der Stadt „getreu und hold zu sein“ und gemeinsam mit dem Bürgermeister für die Sicherheit innerhalb der Stadtmauern zu sorgen. Als Rechtskundiger stand er den zwölf auf Lebenszeit gewählten Schöffen vor und fungierte damit als eine Art überparteilicher Geschäftsführer der städtischen Gerichtsbarkeit. Ihm oblagen u.a. die Terminierung und Leitung der Gerichtssitzungen, die dienstags und freitags in der Stadt stattfanden. 1499 bestätigte Kaiser Maximilian seine Erhebung in den Adelstand.
Jakob Hartlieb starb am 8.2.1504 in Landau, vor genau 520 Jahren.
Raus aus der Abhängigkeit, das war das Ziel der Landauer, das sie mithilfe von Kaiser Maximilians I. verfolgten: Seit 1324 war die Stadt an den Speyerer Bischof verpfändet. Nun hoffte man bei einem Besuch des Kaisers in der Stadt auf einen Wendepunkt für die Unabhängigkeitsbestrebungen.
Am 24. April 1508 rückte der hohe Besuch an. Seine Ankunft in der Stadt war spektakulär. Der Kaiser wurde begleitet von einem großen Gefolge, im Schlepptau 400 Pferde. Der Rat und die Bürger empfingen ihn voller Freude. Untergekommen war Maximilian I. im Helmstädter Hof, in der heutigen Königstraße 64. Einige der adligen Herren von Helmstatt hatten das Amt des Speyerer Bischofs inne und waren somit kirchliche Oberhäupter und Pfandinhaber der Stadt. Am selben Abend brachte der Rat noch Wein und Hafer in den Gasthof. Das Ritual der Verehrung hoher Persönlichkeiten gebührte natürlich auch dem Kaiser, denn er sollte vor der morgigen Besprechung positiv gestimmt sein.
In der folgenden Audienz hörte Maximilian sich das Anliegen der Landauer an. Sie beklagten vor allem die regelmäßigen Streitereien mit dem Bistum.
Der Kaiser versprach sein Engagement in dieser Sache zu Gunsten Landaus. Und tatsächlich schien er etwas in Bewegung zu setzen. Die offizielle Aufhebung der Pfandschaft gelang jedoch erst ganze sechs Jahre später. Die Stadt musste zuerst den Betrag von 15.000 Gulden (heute circa 350.000€) aus Eigen- und Reichsmitteln zahlen. Zwar stand es um die städtische Finanzen recht gut, dieser Betrag ließ sich jedoch ohne eine zusätzliche Besteuerung der Einwohner nicht aufbringen. Der Rat empfahl nun die Aufnahme von zehn jüdischen Familien, die jährlich 300 Gulden „Schutzgeld“ einbringen sollten. Die Landauer Zünfte stimmten dem zu – ein weiteres Beispiel dafür, dass die Aufnahme jüdischer Familien stets finanzpolitischer Erwägungen zugrunde lag.
Der Kaiser selbst steuerte von dem Gesamtbetrag gerade mal 1.000 Gulden bei. Für seine Verschuldungen und seinen prunkhaften Lebensstil war er bekannt, die Stadt konnte nicht mit mehr finanzieller Unterstützung rechnen. Dafür erhielt die Stadt pfandweise alle dem Reich zustehenden Privilegien.
In einer Urkunde vom 13. Januar 1512 bestätigte nun Kaiser Maximilian, dass die „Stadt Landaw“ dem elsässischen Zehn-Städte-Bund angehören sollte. Kaiser Karl V., der Nachfolger Maximilians, bestätigte 1521 die Zugehörigkeit Landaus zur kaiserlich-habsburgischen Landvogtei im Elsass. Diesem Bund gehörten u.a. auch unsere Partnerstadt Haguenau an.
Maximilian I. konnte somit einen Grundstein für die anbrechende Neuzeit in der Stadt legen. Denn die städtische Unabhängigkeit, sei es finanzieller, sei es rechtlicher Natur, war zu einer Zeit im Umbruch äußerst wertvoll.
Johannes Bader, ein Pionier der Reformation, manifestierte den evangelischen Glauben in Landau. 1518 wurde er als Pfarrer an die Stiftskirche in Landau berufen. Diese Stelle trat er dann 1520 nach einem Studium in Heidelberg an, und zwei Jahre später trat er bereits offen gegen die Missstände innerhalb der katholischen Kirche auf.
Es entstand eine neue religiöse Ausrichtung, die viele Anhänger fand – allen Widrigkeiten zum Trotz. Überzeugt von den Ideen Luthers wird Bader auf Anlass des Speyerer Bischofs verklagt. Der Vorwurf: ignorieren der kirchlichen Lehrmeinung sowie Lehre und Predigt von Gegenteiligem, und man schien um das christliche Glaubensmonopol zu bangen. Bader ließ dieses Urteil nicht auf sich beruhen und protestierte. Letzten Endes bestand seine Strafe darin, nur noch das Evangelium predigen zu dürfen. Sofern dies für einen Verfechter des Protestantismus eine Strafe darstellte. Denn ihm ging es ja eben darum, das Evangelium in seinem ursprünglichen Sinne zu predigen. Bader prangerte in den Gottesdiensten immer und immer wieder die Missstände in der Kirche und in Landau an. Nach einigen Konflikten belegte man ihn 1524 schließlich mit dem Bann. Doch Bader wurde trotz seiner Gegner von der eigenen Stadt unterstützt: Landau hielt zu ihm und förderte die Reformation. Und das war gut für die Entwicklung der urbanen Strukturen in der Stadt. Denn kirchliche und religiöse Auffassungen sind grundlegende Teile einer Stadtbevölkerung. Sie stiften Identifikation und wirken untereinander verbindend. Nur durch Toleranz und Offenheit konnte Landau funktionieren. Neben der Gestaltung von reformatorischen Abendmahlsfeiern war der Reformator ein fleißiger Chronist. Sein katechetisches „Gesprächsbüchlein“ von 1526 war zeitlich sogar dem Katechismus Martin Luthers voraus.
Bader verbrachte ebenso viel Zeit mit Briefeschreiben. Er pflegte ein großes soziales Netzwerk, das aus bedeutenden Reformatoren bestand. Eine davon war Katharina Zell aus Straßburg.
Frauenfiguren spielten in der Reformationsgeschichte nur selten eine Rolle, zumindest wird das durch die Quellen vermittelt. Jedoch muss auch Frau Bader, die Gattin Johann Baders, keine unwichtige Stellung in der Reformationssache eingenommen haben. Schließlich bekam sie nach dessen Tod am 16. August 1545 das Haus von der Stadt geschenkt. Und trotzdem stehen wir vor der misslichen Lage, nur in krisenbehafteten Situationen etwas über Frauen in der Geschichte zu erfahren.
Der Nußdorferin Barbara Wambsganß wurde am 8. Mai 1584 der Prozess gemacht. Die Landauer Verfahren gegen Hexerei und Zauberei zwischen 1580 bis 1596 unterlagen einer grausamen „Trendwelle“: der Hexenverfolgung. Das tragische Schicksal der Barbara Wambsganß soll nicht ungehört bleiben:
Jost Gangel aus Nußdorf, ein Mann mit finanziellen Mitteln und entsprechendem Ansehen, erhob 1584 Anklage gegen Barbara Wambsganß, ebenfalls aus Nußdorf. Der Vorwurf: sie betreibe im Landauer Stadtdorf Hexerei. Doch Barbara wies die Anklage vor dem Stadtrat zurück. Trotz Empfehlung des Rates, Jost möge seine Anklage überdenken, kam es zum Prozess. Die Angeklagte wurde für die Zeit des Prozesses inhaftiert – Jost beharrte weiterhin auf seiner Klage. Da das Dorfgericht Nußdorf lediglich über die Niedergerichtsbarkeit verfügte, wurden die Hexenprozesse vor dem Stadtgericht Landau verhandelt. In aller Regel leitete der Schultheiß die Sitzung und verkündete am Ende das Urteil; das Urteil gefällt haben allerdings die Schöffen. Dem Landauer Stadtrat und Stadtgericht war es aufgrund seiner Stellung erlaubt, Hexenprozesse selbstständig durchzuführen und eine eigene Vorgehensweise zu schaffen. Doch wie war es nun weiter vorgegangen im Prozess? Die „Carolina“, die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. besagte, dass bei der Anklage von zwei unbescholtenen Bürgern das Gericht Zeugenaussagen einzuholen hatte. Die Anklagen und Zeugenaussagen liegen uns zwar nicht mehr vor, jedoch musste es ausreichend Aussagen gegen Barbara gegeben haben: es kam zur Anordnung der Folter.
Barbara blieb standhaft. Die Folterung, vorgenommen durch Meister Caspar, entlockte ihr kein „Geständnis“. Gegner Jost akzeptierte eine Freilassung Barbaras nicht und erneuerte seine Anklage. Der Rat zögerte, leitete dann aber doch ein Verfahren ein. Es ist verwunderlich, dass die Stadt sich nicht an den für diese Zeit wegweisenden „Hexenhammer“ orientierte. Der „Hexenhammer“ war eine Art Handbuch für die Hexenverfolgung. So mussten beispielsweise „Malefizien“, also Schadzaubervorwürfe, dargelegt werden. Nach Anleitung des Hexenhammers müssen für eine Folterung mehr als eine Anklage vorliegen – dies war bei der Erneuerung der Klage gegen Barbara nicht der Fall. Da der Prozess dauerte und nicht das gewünschte Ergebnis Josts hervorbrachte, begann Jost die Prozessführung anzuzweifeln und stellte Forderungen an einen neuen Scharfrichter. Mit Erfolg: Scharfrichter Meister Caspar wurde durch Niclas Pfraum aus Simmern ausgetauscht. Dieser war bekannt dafür, mit den Folterungen recht schnell das erbetene Ziel zu erreichen. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf. Barbara Wambsganß gab auf und gestand. Sie nannte noch den Namen weiterer Frauen, die im Laufe der nächsten Jahre dasselbe Schicksal erlitten wie sie. Wie das Leben Barbaras endete, ist nicht dokumentiert. Es kann aber von einer Todesstrafe ausgegangen werden.
Die dramatische Geschichte der Barbara Wambsganß zeigt zum einen die vormoderne Vorstellung von Frauen sowie den Aberglauben einer Dorf- und Stadtgesellschaft auf. Sie ist aber auch für das Nachvollziehen der Entwicklung urbaner Strukturen von Bedeutung. Das Gerichtswesen und die Rechtsprechung unterlagen im Laufe der Jahrhunderte einer starken Weiterentwicklung. Galten im 16. Jahrhundert noch Handbücher und Empfehlungen, setzte sich mit der Zeit das kodifizierte Recht durch. Das Gerichtswesen der Stadt Landau kennzeichnet keine rechtlich autarke Vorgehensweise mehr, sondern die Bindung an Recht und Gesetz.
Heute erinnert ein Denkmal an die zehn der Hexerei bezichtigten Nußdorfer Frauen, geschaffen 2014 von Karlheinz Zwick.
Zum Weiterlesen: Rolf Übel: Eine Wiederaufnahme – die Landauer und Nußdorfer Hexenprozesse von 1580 bis 1590. Zu beziehen beim Autor, 7€
Wir kennen ihren Namen nicht, im städtischen Schriftgut wird sie einfach als „Witwe Hans Voltz“ bezeichnet. Ein bekanntes Phänomen, denn Frauen bleiben im städtischen Schriftgut oft namenlos. Ihr Ehemann Hans Voltz war Schulmeister der deutschen Schule in Landau und seit 1580 zunehmend in der Stadt ungelitten. Offenbar hatte er unter Alkoholeinfluss „Schmeh“, öffentliche Beleidigungen, ausgestoßen, wofür er vom Rat der Stadt verwarnt wurde. Fünf Jahre später kam es dann endgültig zum Bruch, Hans Voltz wurde „zum Exempel zu acht Tagen in den alten Kefficht“ verbannt, im gleichen Jahr reichte er dann seinen Abschied ein und starb wenige Monate danach. Zurück ließ er seine Frau, die nun selbst beim Rat der Stadt um eine Genehmigung zur Führung einer „madlinschule“ bat. Zu Beginn des Jahres 1589 erlaubte nun der Landauer Stadtrat, dass sie „ohngevehrlich uff die 10 oder 12 Meidlein“ unterrichten durfte. Vor allem Carl Dornmeier, der Nachfolger auf dem Posten des Schulmeisters, widersprach jedoch heftig, fürchtete er doch die Konkurrenz der umtriebigen Witwe, die auch die Erlangung ihrer Landauer Bürgerechte vehement einklagt hatte. Für die Reformatoren war die weltliche und religiöse Erziehung äußerst wichtig. Überall in Europa entstanden im Gefolge der Reformation neben dem Katechismusunterricht neue allgemeinbildende Schulen. Das Erziehungsprogramm der Reformation beruhte auf der Lektüre der Bibel, die den Glauben stärken und die Überprüfung von Glaubensartikeln ermöglichen soll. Dieses Programm erklärt sich aus der Lehre vom Allgemeinen Priesteramt: jeder Christ soll unter alleiniger Berufung auf die Bibel nach Kräften die Wahrheit des Evangeliums verkünden. Hier sollten die Kinder aus dem einfachen Volk in den Grundsätzen des Lesens und Schreibens, sowie des Glaubens lernen. Die Schulen wurden nun von den Städten und nicht mehr von der Kirche betrieben. Der Witwe Hans Voltz war leider kein längerfristiger Erfolg gegönnt. Nur wenige Jahre später musste sie ihre Schule endgültig aufgeben. Johann zu Glocken, der Nachfolger von Carl Dornmeier, konnte der weiblichen Konkurrenz erfolgreich vom Rat der Stadt kündigen lassen. Erst im 19. Jahrhundert wird dann die Schulbildung für die Landauer Mädchen wieder in Fokus rücken.
Es ist wohl kaum zu glauben, dass das kleine Landau für den französischen König Ludwig XIV. überhaupt eine Rolle für dessen Machterhaltung spielen sollte. Und eine wichtige noch dazu.
Der französische König Ludwig XIV., auch als Sonnenkönig bekannt, lebte wahrlich in Saus und Braus. Prunkvolle Feste, Aufführungen und Jagden waren nur ein Teil des pompösen Lebensstils auf seinem Schloss Versailles. Am Absolutismus, der Herrschaftsform des Ancien régime, schien Ludwig besonders Gefallen zu haben. „L‘ état c‘est moi“, „Ich bin der Staat“, dieses Leitmotiv charakterisiert wohl am besten seinen Herrschaftsanspruch.
Es war eine Entscheidung Ludwigs, Landau aus dem Deutschen Reich und damit auch aus der Dekapolis, dem elsässischen Zehnstädtebund, in den französischen Nationalstaat einzugliedern. Der Friedensvertrag nach dem Dreißigjährigen Krieg sah diese Anbindung an Frankreich vor. Für Landau bedeutete dies: Verlust der Selbstständigkeit sowie Entkoppelung vom Deutschen Reich und seinen Verbündeten. Der Elsässische Zehnstädtebund existierte zwar noch ein paar Jahre weiter, war nun jedoch unter der königlichen Fuchtel. Ab jetzt war Ludwig XIV. also ihr Souverän. Für Frankreich bedeutete dies mehr als nur einfache Territorienausweitung. Die Lage Landaus war eine besondere: von Südwestdeutschland kommend war die Stadt das Eingangstor zu Frankreich. Insofern hatte die Anbindung Landaus vor allem militärisch-strategische Gründe.
Die französische Besetzung 1673 sollte langwierige Folgen haben. Nach der offiziellen Trennung vom Deutschen Reich hatte Landau zum ersten Mal den Treueeid auf Ludwig XIV. abgelegt. Der König traf Entscheidungen für die Stadt und versuchte sie nach seinen Vorstellungen zu assimilieren und zu integrieren. Landau hatte sich anzupassen und auf seinen König zu horchen. Dazu gehörte es, sich der strengen katholischen Konfessionspolitik nicht zu widersetzen, sprich Protestanten ließ Ludwig verfolgen und zwang sie, zum katholischen Glauben zu konvertieren. Auch juristisch und finanziell hatte sie sich anzuhängen.
Mit dem Beginn des Pfälzischen Erbfolgekriegs sah Ludwig sich zunehmend Bedrohungen ausgesetzt. Es entstand der Wunsch, die Ostgrenze zu sichern. Baumeister Vauban, beauftragt durch den König, entschied sich 1688 für einen Festungsbau in der Stadt Landau, besonders aufgrund der bereits erwähnten strategischen Lage. Die Festung bedeutete militärische Verteidigung für Landau einerseits, aber vor allem war sie Schutzschild für das französische Königreich.
Die Entscheidung Ludwigs XIV., die Stadt Landau in seine Machtsphäre zu übernehmen, war für sie als Festungs- und Garnisonsstadt prägend. Zu der Zeit der Besetzung hätte wohl niemand gedacht, dass Landau für die nächsten 135 Jahre eine französische Stadt bleiben wird.
Der damaligen Festung Landau wird schon allein durch die Nennung ihres Schöpfers, Sébastien Le Prêtre de Vauban, alle Ehre zuteil. Denn Vauban war einer der erfolgreichsten Festungsbaumeister seiner Zeit. Früh verfolgte er eine steile Karriere und stieg in höchste Ränge auf. 1655, mit gerade einmal 22 Jahren, erhielt Vauban auf Empfehlung Kardinal Mazarins das Ingenieur-Diplom sowie die Ernennung zum Königlichen Génieoffizier. Er gilt als Gründer des Corps du Génie, was einem bautechnisch militärischen Verbund gleicht. Sein Engagement galt dem Bau von Festungen: an insgesamt 160 Plätzen hatte Vauban Befestigungsprojekte am Laufen! Darunter auch in Landau.
In Landau begann alles mit einer ersten Begutachtung im Jahre 1687. Die Bilanz sprach nicht besonders für die Stadt; letzten Endes entschied man sich doch für sie. Denn hier konnte das Wasser der Queich besonders gewinnbringend genutzt werden. Zum einen diente das Wasser der Beschaffung des Baumaterials, zum anderen schuf man ein ausgeklügeltes Überflutungssystem.
Die Festung sollte das „Tor zum Elsass“ verschließen und die Macht Ludwig XIV. stärken. Innerhalb von drei Jahren, von 1688 bis 1691, verwandelte Vauban das mittelalterliche Landau in eine bedeutende Festungsstadt. Häufig wird mit ihr das Zitat „eine der stärksten Festungen der Christenheit“ in Verbindung gebracht. Doch die stärkste Festung war sie gewiss nicht. Das Zitat wurde aus dem Kontext gerissen. Vauban vermerkte in seinem Gutachten lediglich, dass „wenn die Festung nach diesen Plänen erbaut wird, so muss sie eine der stärksten der Christenheit werden“. Wie so oft, verlief nicht alles nach Plan.
Die Entscheidung, aus Landau eine Festungsstadt zu machen, war für die Stadtentwicklung bis in die heutige Zeit hinein prägend. Da die Festung erst am Ende des 19. Jahrhunderts geschleift wurde, konnte sich in der Stadt keine Industrialisierung vollziehen. Selbst heute lassen sich noch Relikte aus dieser Zeit sehen: das deutsche und das französische Tor, früher die beiden einzigen Zugänge zur Stadt, stehen noch immer. Seit 1914 wurden Vaubans Werke peu à peu unter Denkmalschutz gestellt. Einige bedeutende vaubansche Festungsbauten wurden sogar zum UNESCO-Welterbe deklariert. Auch in Landau stehen die Festungsreste seit 2017 unter Denkmalschutz.
In der Stadt erinnert die „Route Vauban“ an den Baumeister und sein Werk, die besonders gerne von Touristen aufgesucht wird. An alle Landauer gilt aber genauso: folgen auch Sie einmal den Spuren der Route Vauban!
Kein Franzose war im Südwesten so verhasst, wie der als „Mordbrenner“ in Verruf geratene französische Offizier Ezéchiel du Mas, Comte de Mélac. Im Rahmen der französischen Expansionspolitik Ludwig des XIV. war der, 1690 zum „maréchal de camp“ ernannte Offizier der Rheinarmee, als Anhänger einer Kriegsstrategie der verbrannten Erde berühmt und berüchtigt geworden. An den militärischen Operationen des Pfälzischen Erbfolgekrieges beteiligte er sich seit 1688 pflichteifrig in Heidelberg, Mannheim, Heilbronn, Philippsburg und Pforzheim. Aber auch im Württembergischen, im südlichen Kraichgau bis hinein in den nördlichen Schwarzwald fürchtete man ihn. Vor allem die Niederbrennung des Heidelberger Schlosses wurde ihm nie verziehen.
Im Frühjahr 1693 belohnte ihn nun Ludwig XIV. mit der Ernennung zum Gouverneur der Festung Landau, der damals neben Straßburg, wichtigsten linksrheinischen Festung am mittleren Oberrhein. Hier entwickelte er nun als „lieutenant géneral“ erhebliche bautechnische und militärische Aktivitäten und unternahm auch weiterhin überfallartige Streifzüge zur Durchsetzung von Zerstörungsbefehlen beidseits des Rheins. Auch die Landauer Zivilbevölkerung bekam sein reizbares und cholerisches Naturell schnell zu spüren. 1702, zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges, drohte nun die erste Bewährungsprobe der neuen Festung an der Queich: 1702 sammelte Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, der Türkenlouis, ein Heer von ca. 70.000 Soldaten, das die Festung drei Monate lang belagerte und schließlich Mélac zur Kapitulation zwang. Spätestens jetzt wurde der Landauer Bevölkerung deutlich vor Augen geführt, was es bedeutete, eine Festungsstadt zu sein: Monatelange Einschließung der Bevölkerung, zunehmende Lebensmittelknappheit und das letztlich immer militärische Überlegungen über die Stadtentwicklung bestimmten. Mit seinen noch marschfähigen Soldaten und Teilen seiner Ausrüstung durfte Mélac schließlich ehrenvoll die Stadt verlassen. Zwei Jahre später starb er verbittert in Paris. 1919 wurde Mélac im Sinne antifranzösischer Propaganda nach dem Ersten Weltkrieg als „Schandmal französischer Kulturpolitik“ reaktiviert und mit General Gérard verglichen, der hoffte, mit harten Maßnahmen gegen die Bevölkerung, Hochachtung und Ehrfurcht gegenüber den Besatzungstruppen erzwingen zu können. Trotz allem verdanken wir Mélac heute einen besonderen Schatz: Als die Kriegskasse 1702 leer war, zerschnitt er sein Silbergeschirr und brachte die Teile als Zahlungsmittel für seine Soldaten in Umlauf. Auch dieses Bargeld ist im Museum in der Maximilianstraße zu sehen.
Sicherlich haben sich schon einige gefragt, warum die Kutsche „Landauer“ diesen Namen trägt und wie das mit unserem Landau zusammenhängt. Eindeutig lässt sich diese Frage leider nicht mehr beantworten. Denn für den Namen „Landauer“ gibt es verschiedene Erklärungsansätze, die sich heute nicht mehr abschließend überprüfen lassen. In einem davon spielt tatsächlich die Stadt Landau, die erste Belagerung der Festung Landau und der damalige römisch-deutsche König Joseph I. eine entscheidende Rolle.
Joseph I. besuchte 1702 die Festung Landau. Anlass war die Belagerung durch die Truppen seines Vaters. Die Festung war in französischer Hand, mitten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Nachdem der spanische König Karl II. kinderlos verstorben war, entbrannte ein Streit um sein Erbe. Die nächsten Verwandten waren Ludwig XIV. von Frankreich und Kaiser Leopold I., Vater von Joseph I. Infolge dieses Erbschaftsstreits brach der Spanische Erbfolgekrieg aus. Durch seine Stellung als östlichste französische Festung spielte Landau dabei immer wieder eine wichtige Rolle. Während des Kriegs wurde die Festung insgesamt vier Mal belagert und jedes Mal auch eingenommen. Bei den Belagerungen von 1702 und 1704 reiste Joseph I. als Oberbefehlshaber an. Diese Reise beging er in einer neuartigen Kutsche, deren Verdeck sich zu beiden Seiten öffnen ließ. Dadurch war die Kutsche zur Reise zu jeder Tageszeit und bei jedem Wetter geeignet. Diese Kutsche erhielt später den Namen Landauer. Zu Lebzeiten von Joseph wurde sie noch als Leibwagen und später als Feld-Leibwagen bezeichnet. Nach der vierten und in diesem Krieg auch letzten Belagerung, landete die Festung Landau wieder in französischer Hand und blieb bis 1816 französisch. Durch die Belagerungen war sie zum Teil stark zerstört worden, auch die Zivilbevölkerung in der Stadt und in der Region hatte unter den monatelangen Belagerungen gelitten.
„Ich bin ein Verschwörer!". So lautete ein Ausruf Georg Friedrich Dentzels während einer seiner Reden. In diesem positiven ‚Verschwörertum‘ sah Dentzel vermutlich seine wahre Berufung. Doch die Beschränkung auf nur eine Berufung schien nicht zu genügen; er hatte mehrere im Leben. Dentzel legte eine außergewöhnliche Karriere zur Zeit der Französischen Revolution hin.
Seinen ursprünglichen Beruf als Pfarrer verfolgte der gebürtige Pfälzer neun Jahre lang, von 1783 bis 1792, in der Stiftskirche in Landau. Neben der Seelsorge war das Predigen vor Menschenmengen eine Kernaufgabe. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass Dentzel das Halten von feurigen Reden zu seinem zweiten Standbein entwickelte.
Er schloss sich den revolutionären Jakobinern an und wurde sogar Mitglied im Nationalkonvent in Paris. Vom Pfarrer zum Politiker. Dentzel wusste, wie man die Karriereleiter erklimmt. In der Politik engagierte er sich für die Leitmotive der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Einigkeit! Denn ein Wunsch des frisch gebackenen Revolutionärs lag in der Kirche begründet. Er forderte die Freiheit und Gleichberechtigung der Protestanten mit den Katholiken, und dies wiederum erforderte eine Revolution. Im Jahr 1790 gründete Dentzel in Landau einen Ausschuss, die sogenannten „Freunde der Constitution“, allgemein bekannt als Jakobinerclub. Sie versuchten das politische Geschehen in der Stadt und darüber hinaus zu beeinflussen, ganz im Sinne der revolutionären Ideale. Unter anderem spielte die Verteidigung der Landauer Festung eine Rolle. In dem Club herrschten straffe Regeln, deren Einhaltung man genau bedachte. Es konnte auch nicht einfach jeder ein Mitglied werden. Der Aufnahmeprozess war kein Zuckerschlecken, ja er war sogar sehr langwierig und komplex. 1792 fanden in den ersten acht Monaten über 70 Sitzungen im Club statt - die Politik hatte Dentzel nun fest im Griff.
Jedoch hat alles sein Ende. So auch seine politische Karriere. Seine Beliebtheit während des Aktionismus könnte ambivalenter nicht sein. Von den einen geehrt, von den anderen gehasst, lautete hier die Devise. Er sei nichts mehr als ein „Monster“, ein „Verräter“, ein „Verschwörer“. Das behaupteten jedenfalls seine Feinde. Im Jahr 1794 wurde Dentzel von ebendiesen Staatsfeinden gefangen genommen. Dem Aufbau der Guillotine am Paradeplatz neben der Freiheitssäule musste er kampflos zusehen.
1796 begann seine nun militärische Karriere. Georg Friedrich Dentzel wurde in den napoleonischen Militärdienst übernommen. Bis zum Zusammenbruch der Herrschaft Napoleons 1814 machte er als Oberst im Generalstab alle Feldzüge mit und stieg auch hier schnell auf.
Für seine Freunde war er ein „guter Patriot“ und „taub für jede Intrige“. Die Entscheidung für jenen wechselvollen Lebenslauf brachte ihm die Aussetzung vielfältiger Interpretationen. Diese Vielseitigkeit zeichnet seine Person aus und hat der Stadt in ihrer politischen Weiterentwicklung und Aufklärung geholfen. Entscheidend für Dentzel war am Ende, dass man für ein Ziel mit seinen Idealen einsteht.
Die Französische Revolution macht es möglich: Ein Queichheimer, geboren in einfachen, dörflichen Verhältnissen wird zum Präsidenten des höchsten pfälzischen Gerichts. Nun entscheidet nicht mehr die Geburt über den sozialen Stand in der Gesellschaft, sondern das individuelle Leistungsvermögen.
Johannes Birnbaum wird am 6. Januar 1763 in einfachen Verhältnissen als Sohn eines Tagelöhners und einer Hebamme im Landauer Stadtdorf Queichheim geboren. Der Sohn ist begabt und wird Schüler an der Landauer Lateinschule. Ab 1782 arbeitet er als Geselle beim Landauer Wundarzt und Geburtshelfer Johann Michael Steeg, zwei Jahre später heiratet dessen Tochter Catharina Jakobea.
Die Französische Revolution ermöglicht ihm eine beispiellose Karriere: Birnbaum gehört 1790 zu den Gründungsmitgliedern der Landauer „Gesellschaft der Freunde der Verfassung“, dem Landauer Jakobinerklub und fungiert als dessen Erster Sekretär. 1793 wird er Schreiber beim Friedensgericht in Landau, ab 1795 spricht er Recht in der Position des Friedensrichters im Kanton Landau. 1799 wird Birnbaum Départementsverwalter in Straßburg, 1800 Präfekt in Luxemburg. Wieder ein Jahr später ist er als Richter am Appellationsgericht in Brüssel tätig, ab 1803 hatte er die gleiche Funktion in Trier inne.
Am 15. August 1815 wird er zum Vizepräsidenten des Appellationsgerichts Kaiserslautern, dem höchsten pfälzischen Gericht, ernannt. Das Gericht zieht 1816 nach Zweibrücken und von Birnbaum wird hier 1824 zu dessen Präsidenten. Bereits 1817 wurde ihm im Auftrag des bayerischen Königs Maximilian I. der persönliche Adelstitel verliehen.
Auch in München schätzte man zunächst dessen Elan, in der Regierungszeit von Maximilian Graf von Montgelas wirkte Birnbaum maßgeblich an der Reform der Bayerischen Staatsverfassung von 1818 mit. Doch, dass er das fortschrittliche, in den linksrheinischen Gebieten nach wie vor geltende französische Recht anwandte, missfiel der bayerischen Regierung zunehmend.
Im Vorfeld des Hambacher Festes appellierte man an ihn, doch mehr auf die Wünsche des bayerischen Monarchen einzugehen, vergebens: Selbstbewusst meldete er nach München, „man möge ihn mit solcher Bezugnahme verschonen“. So verwundert es nicht, dass Birnbaum, wie etliche andere Richter, im Zuge der Maßnahmen zur Disziplinierung der pfälzischen Justiz 1832, zwei Monate vor dem Hambacher Fest entlassen wurde.
Seinem Geburtsort Queichheim blieb Johannes Birnbaum eng verbunden, und er fühlte sich immer als ein „eifriger Anhänger der Queichheimer“. Auch betätigte er sich als Chronist und er veröffentlichte 1826 eine umfassende Geschichte der Stadt und der Dörfer Dammheim, Nußdorf und Queichheim. Heute erinnert die Birnbaumstraße in Queichheim an den berühmt gewordenen Sohn.
Birnbaum starb am 20. Mai 1832 in Zweibrücken, eine Woche vor dem Zug der deutschen Demokraten und Demokratinnen auf die Maxburg, zum Hambacher Fest.
Revolutionen, so die traditionelle Geschichtsschreibung, sind Männersache. Seit einigen Jahrzehnten nimmt die historische Frauenforschung auch die Akteurinnen in den Blick und erweitert damit die historischen Erkenntnisse. Eine wichtige Feststellung ist, dass Frauen in zentralen Umbruchszeiten relevante Funktionen übernehmen: Als aktive Kämpferinnen auf Barrikaden, als Herstellerin revolutionärer Symbolik oder als häusliche Unterstützerin der männlichen Revolutionäre. Das Problem ist, dass diese Frauen im historischen Schriftgut der Stadt namenlos bleiben. So kennen wir keine revolutionär gesinnte Frauen, obwohl der Protokollband des Landauer Jakobinerklubs überliefert ist. Frauen tauchen hier lediglich als „Jungfrauen im weißen Kleid, mit grünen Zweigen in der Hand“ beim Herstellen und Überbringen revolutionärer Symbolik auf. Eine Ausnahme ist Marianne Carré.
Am 28. September 1765 wird sie als Tochter von Peter Adrian Carré und Anna Maria Rummer in Landau geboren. Ihre Eltern sind Bürger der Stadt, der Vater steht in Diensten des französischen Major de la Valle. Im September 1793 hat Marianne ihren historischen Moment: Die französische Festung Landau wird seit April von mindesten 10.000 Mann belagert. Das Ziel war zunächst eher eine Blockade, mit dem Plan einer Aushungerung der Garnison und der Bevölkerung. Niemand in der Stadt weiß, wie lange noch Tausende verproviantiert werden müssen. Der Festungskommandant Laubadière sieht nur die militärischen Bedürfnisse, die Zivilbevölkerung spielte keine Rolle bei seinen Überlegungen. Man sucht nach Lösungen. Schon beschließt man das Töten der Landauer Hunde. Als Ultima Ratio denkt der Kommandant laut über die Ausweisung der Zivilbevölkerung nach. Nun ist es die 28-jährige Landauerin, die, zumindest laut Johannes Birnbaum, den Sie schon in der letzten Woche kennenlernten, den Mut aufbringt und öffentlich gegen die Ausweisung plädiert.
Johannes Birnbaum, 1793 mitten im Landauer revolutionären Geschehen aktiv, schildert das so: „Mademoiselle Mariane Carré, gewandt in der Kunst Männer-Herzen zu bestricken, in der französischen Sprache, wie in der deutschen, bewandert und mit einer ebenso geläufigen Zunge als unwiderstehlichen Reizen begabt, bringt die Soldaten zum Wanken, und selbst zum Murren gegen den unmenschlichen Befehl.“ Es waren sicher nicht nur die zweisprachige Beredsamkeit und die weiblichen Reize der Landauerin, die die Ausweisung der Zivilbevölkerung verhinderte, auch politische Gründe sprachen dagegen: Festungskommandant Laubadière fürchtete sicher ein Ende der revolutionären Begeisterung in der Region, falls man die Bewohner dem Feind überließ. Die Protokolle der Sitzungen des Landauer Jakobinerklubs indessen, erwähnen das beherzte weibliche Auftreten nicht. Dennoch ist Marianne Carré nicht vergessen: Seit 2011 ist eine Straße im Landesgartenschaugelände nach ihr benannt.
Man übertrug „zwei Tage vor der Schlacht bei Waterloo (…) die Verteidigung der Festung dem General Geitert, einem wackeren Krieger und rechtlichen Manne“. Bei jenem General handelte es sich um Johann Michael Geither, Mitglied des napoleonischen Heeres. Er wurde 1769 in Ubstadt bei Bruchsal geboren; seine Eltern stammten aus dem pfälzischen Maikammer. Lange Zeit hielt sich hartnäckig das Gerücht, der 14-jährige Schelm habe Tinte in das kirchliche Weihwasser geschüttet und sei daraufhin aus Angst vor Konsequenzen davongelaufen. Er soll in das französische Landau geflüchtet sein und als Kindersoldat in der Armee begonnen haben. In dieser Nacht- und Nebelaktion lag wohl seine Zukunft begründet. Geither kämpfte in zahlreichen napoleonischen Kriegen mit. Damit einher gingen auch viele Auszeichnungen. Eine ganz besondere war der Ehrensäbel, den er während eines Ägyptenfeldzugs erhielt. Nach seinem Posten als Kommandant der Zitadelle von Straßburg war es am 26. Mai 1815 so weit: es folgte die Berufung als Festungsgouverneur der Stadt Landau. Eine weitere Auszeichnung! Sein Vorgänger General Rapp inspizierte seine Tätigkeit genau. Einen Monat lang kam er jede Woche zur Kontrolle. Die Landauer Truppen, die der junge, circa 30 Jahre alte Geither vorgesetzt bekam, mussten auf ihn ernüchternd gewirkt haben. Sie waren an Heterogenität kaum zu übertreffen. Es glich einem bunten Potpourri aus Jung und Alt, sowie den verschiedensten Arten von Soldaten. Die Garnison bestand nämlich aus Rekruten ohne Militärausbildung, einem Bataillon vom 40. Infanterieregiment sowie Kanonieren, Grenadieren und Jägern der Landauer Nationalgarde. Doch Geither gab nicht auf und holte das Beste aus der Landauer Garnison heraus. Er trainierte mit ihnen die Verteidigung und versorgte die Stadt für die nächsten sechs Monate mit Lebensmitteln.
Anfang Juli 1815 war Landau dann komplett eingeschlossen. In dieser Zeit lag eine besondere Beobachtung der Truppen durch Geither vor. Fehler wurden nicht geduldet. Geither wurde zudem erpresst, indem man ihm die höchsten Versprechungen zukommen ließ. Die Belagerung lief bewusst ruhig ab; die Beschießung der Festung an einem Juliabend kann als Höhepunkt angesehen werden.
Kurz nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo verbreitete Geither mit unerlässlichem Fleiß die falschen Nachrichten über die Siege der Revolutionspartei über die Royalisten. Dies blieb nicht folgenlos. Schon bald liefen erste Garnisonsoffiziere mit der roten, revolutionären Mütze umher. Allerdings war dieses von einigen nicht gern gesehen, sodass dem Kommandanten keine andere Wahl blieb, als das Tragen der roten Mützen zu verbieten. Nachdem die Bürger schließlich freiwillig die Unterwerfung an den französischen König Ludwig XVIII. anzeigten, kam Geither in Bredouille. Er selbst versuchte die Anbindung an die königliche Verwaltung mit aller Macht zu verhindern. Nach einigen Beschwerden wurde der Gouverneur von seinem Posten abgesetzt.
Auch wenn das Ende Geithers abrupt kam, so ist festzustellen, dass die französische Garnison Napoleon am längsten treu war. Michael Geither ist in der Landauer Stadtgeschichte relativ unbekannt, dabei war er ein wichtiger Akteur. Er bewahrte einen kühlen Kopf und half dabei, die Landauer Festung zu verteidigen. Nach den vier Belagerungen im Spanischen Erbfolgekrieg, der Belagerung 1793 und nun auch noch 1815, mussten sich die Leute gefragt haben, ob die Zeit der Belagerungen jemals ein Ende finden wird. Zu diesem Zeitpunkt ahnten sie noch nicht, dass es eine der letzten gewesen sein sollte.
Wenn die Wehen einsetzten, wurde die Hebamme Maria Kohl gerufen, zumindest wenn die Gebärende im „Roten Viertel“ der Stadt wohnte, um die Rote Kaserne in der Marktstraße, im nordwestlichen Bereich der Altstadt. Aus militärisch-strategischen Gründen war die Garnisonsstadt in vier Viertel aufgeteilt: das rote, das blaue, das grüne und das gelbe Viertel.
Maria Kohl war dort nun über 40 Jahre lang Hebamme. Und Ihr Hebammenbuch, in dem alle Geburten verzeichnet wurden, ist in privatem Besitz überliefert. Daraus geht hervor, dass sie doch tatsächlich 3.763 Kindern zur Welt verholfen hat. Dies ist sicher auch ein Zeichen für die große Fluktuation in der Garnisonsstadt.
Maria Kohl wurde 1772 in Landau als Tochter von Johannes Decker und seiner Frau Margarethe Mertz geboren. Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes heiratete sie 1819 den Schneidermeister Ignatius Kohl. Ebenso wie die anderen Landauer Hebammen hatte Maria Kohl einen dreimonatigen Hebammenkurs in Straßburg absolviert. Der Landauer Arzt Dr. Lederlin empfahl sie nach einer Überprüfung dem Rat der Stadt als „brauchbar, mit guter Aufführung“. Die Kosten für „Lehrkurse, Reise und Anschaffungen von Requisiten“ betrug 144 Gulden, wovon die Stadt einen Teil bezahlte. Ausgerüstet wurden die Landauer Hebammen von der Stadt: das Hebammenbuch, eine Geburtszange, eine Schere zum Abschneiden der Nabelschnur und einen Gebärhocker, der vom Landauer Schreinermeister Joseph Steiner angefertigt wurde, gehörte zu ihrer Standardausrüstung.
Sie war nun auch für die Entbindung „notorisch armer Personen“ im Auftrag der Stadt tätig. Von der Stadtverwaltung erhielt sie dann eine Entschädigung, die finanziell besser gestellten Landauer Familien mussten indessen die Hebammen direkt entlohnen.
Ihre erste Geburt, die in dem Buch verzeichnet ist, war am 3. Dezember 1799. Es wurde an jenem Tag ein Mädchen geboren, das auf den Namen Maria Margaretha Werner getauft wurde. Am 17. November 1846 starb Maria Kohl im Alter von 74 Jahren in Landau. Ihre Erfahrungen konnte sie an ihre Tochter Franziska weitergeben, die ebenfalls die Hebammenkunst erlernte und in Landau praktizierte.
Übrigens: Maria Kohl war auch die Geburtshelferin zweier heute noch bekannter Landauer, von Thomas Nast und Konrad Krez. Ihre Geschichten werden hier bald folgen.
Sie ist eine aussterbende Zunft, aber in deutschen Parlamenten noch immer unverzichtbar - die Stenografie. Ungefähr 100 Stenografen protokollieren heute noch jede Parlamentssitzung in Deutschland und vermögen das gesprochene Wort in Echtzeit buchstabengetreu mitzuschreiben. Und der Münchner Franz Xaver Gabelsberger veröffentlichte 1834 ein deutsches Kurzschriftsystem, das im 19. Jahrhundert vor allem in den Parlamenten, Gerichtssälen und in den Verwaltungen genutzt wurde.
Als 1833 die Initiatoren des Hambacher Festes, Siebenpfeiffer und Wirth und weitere sieben „Hambacher“, hier in der bayerischen Garnisons- und Festungsstadt vor Gericht standen, reiste der bayerische Staatsdiener in die pfälzische Provinz, um sein „Geschwindschreibverfahren“, zum ersten Mal bei einem großen politischen Gerichtsprozess einzusetzen und Denn es war ja nicht irgendein Prozess: Unter strengen Auflagen tagte ein außerordentliches Geschworenengericht vom 29. Juli bis zum 16. August 1833 im Hotel Schwan. Die Delinquenten wurden beschuldigt, das Volk zum Umsturz und zur Bewaffnung gegen die Staatsgewalt aufgefordert zu haben. Siebenpfeiffer und Co. hatten vor Tausenden Demonstranten vor allem die nationale Einheit, die Forderung nach Freiheit und freier Meinungsäußerung und „die Beseitigung der Fürstenherrschaft“ gefordert. Dies konnte die bayerische Staatsregierung keineswegs dulden, sie setzte auf drastische Unterdrückungsmaßnahmen: ein Armeekorps von 8.500 Mann wurde in die Pfalz verlegt, politische Vereine und Versammlungen wurden verboten. Der Landauer Prozess wurde zu einem Medienspektakel, das nicht nur in der Region atemlos verfolgt wurde. Dank des Gabelsberger Wortprotokolls konnten die in Landau gedruckten „Tags-Neuigkeiten“ die Leserschaft auf dem Laufenden halten, allerdings nur mit zensierten Artikeln.
Der Prozess endete für die bayerische Regierung unerwartet mit Freisprüchen. Wirth und Siebenpfeiffer wurden dennoch später wegen Beamtenbeleidigung zu Haftstrafen verurteilt und emigrierten.
Gabelsberger war inzwischen zum Ministerialsekretär aufgestiegen, bekam von der Akademie der Wissenschaften in München bescheinigt, dass sein System „durchaus originell und bei hinreichender Kürze geläufiger, zuverlässiger und lesbarer als jede frühere Kurzschrift anzusehen“ sei. Sein System fand bis ins 20. Jahrhundert weite Verbreitung, bis es von der Deutschen Einheitskurzschrift abgelöst wurde.
Als im März 1848 die Revolution in Deutschland begann, war er mittendrin: der gebürtige Landauer Konrad Krez. Er sehnte sich nach Freiheit und einem einheitlichen Volk. Als junger Rechtswissenschaftsstudent trat er 1849 der Studentenlegion der Rheinpfalz bei und kämpfte für sein Land, das er so liebte. Leider mit fatalen Folgen – Konrad Krez wurde aufgrund seiner Freischärlerei und seines radikalen Aktivismus zum Tode verurteilt. Der einzige Ausweg, der ihm blieb, war die Flucht. Seine Entscheidung fiel auf die „Neue Welt“, Amerika. Im Januar 1851 gelangte der 48er-Emigrant nach New York. Er setzte sein rechtswissenschaftliches Studium fort und verdiente seinen Unterhalt als angestellter Anwalt. Dort lernte er seine große Liebe „Addie“, Adolphine Stemmler, die Tochter seines Chefs, kennen.
Neben seiner Tätigkeit als Anwalt schrieb Krez fleißig Gedichte. Es schien eine seiner großen Leidenschaften zu sein, fing er doch bereits zu Schulzeiten mit der eigenen Lyrik an. Da sich der dichterische Nachlass von Konrad Krez im Landauer Stadtarchiv befindet, sind wir in der glücklichen Lage, all oder zumindest die meisten seiner Gedichte und Werke zu kennen und vorliegen zu haben. Eines ist sicher: Vergessen hat der Revolutionär seine Heimat nie. Liest man die Gedichte, dann fühlt man die Sentimentalität und seine Sehnsucht nach zu Hause. Seine unbändige Heimatliebe scheint durch den Ortswechsel nach Amerika nicht erloschen zu sein. Doch er teilt eine Erkenntnis in „An mein Vaterland“, eines seiner bekanntesten Gedichte: „weil ich in meiner Jugend nicht verstand, Dich (das Vaterland) weniger und mehr mich selbst zu lieben“. Die zahlreichen Werke sind eine Art Seelenzustand des Poeten. Immer wieder rühmt er seine geliebte Pfalz, ein „Land, das schöner ist als das Paradies“. Auch Landau widmete er ein Gedicht. Es ist offensichtlich, dass der Pfälzer seine Heimat vermisste und sie im Herzen trug. Doch in Amerika war er frei. Dort baute der Emigrant sich ein neues Leben auf, mit seiner Frau und seinen sieben Kindern. Er genoss dort ein hohes Ansehen und bekleidete hohe Ämter. Auch im Amerikanischen Bürgerkrieg beteiligte Krez sich, indem er für die Nordstaaten mit einem aus deutschen Einwanderern gebildetem Regiment kämpfte. Im Jahr 1897 starb der Freiheitskämpfer und Poet in Milwaukee. Circa 40 Jahre später erinnerte die Stadt Landau dem Deutschamerikaner mit der Anbringung einer Gedenktafel an seinem Geburtshaus in der Königstraße 2. Die Inschrift bezeichnet ihn als „Sänger und Kämpfer für Deutschlands Einheit und Frieden“.
Konrad Krez lässt in seinen Gedichten, geprägt von der Sehnsucht nach der verlorenen Heimat, Landau und die Pfalz aufleben und weiterleben.
Während die Bildung der Jungen schon längst in städtischer Hand war, musste man sich für die Bildung der Mädchen im 19. Jahrhundert in Landau noch auf private Institute verlassen. Eines dieser Institute unterstand Catharina Heller.
Catharina Heller kam ursprünglich aus Frankenthal. 1844 trat sie mit der Bitte an die Stadt Landau heran, eine Mädchenschule in der Trappengasse 27 einrichten zu dürfen, weil sie in der mangelnden Schulbildung für Mädchen einen großen Bedarf erkannte. Sie bat nun die Verwaltung um die Genehmigung und um finanzielle Hilfe. Nur einen Monat später wurde die Schule durch den Stadtrat genehmigt. Dabei sicherte man ihr eine einmalige Zahlung zur Einrichtung der Schule zu. Nur wenige Monate später wurde die Schule auch eröffnet. Sie nahm Schülerinnen zwischen 8 und 16 Jahren auf und unterrichtete sie in deutscher und französischer Sprache, Schönschreiben, Rechnen, Geographie und Geschichte, Mythologie, Naturlehre und weiblichen Arbeiten. Unterrichtet wurden sie vorwiegend von Männern, an Frauen unterrichteten lediglich Catharina Heller selbst und eine Französin. Monatlich mussten die Familien der Schülerinnen vier Gulden Schulgeld zahlen. Wenige Jahre nach der Eröffnung heiratet Catharina Heller mit 40 Jahren den Geschichtsschreiber Reichard aus Kandel und musste die Schule wieder aufgeben. Doch nur sechs Jahre später wandte sie sich erneut an die Stadt Landau. Mittlerweile war Catharina Reichard verwitwet und wollte ihre Schule wiedereröffnen. Zunächst wurde ihr dies verweigert, da es mittlerweile eine neue Höhere Bildungsanstalt für Mädchen unter der Leitung von Louise Scherer gab. Wenig später wurde die Schule dann doch wieder genehmigt. Allerdings musste Catharina Heller genau dokumentieren, wie sie ihre Schule führte, und sie wurde jährlich überprüft. Nicht nur bei Catharina Heller, sondern auch bei anderen Frauen, die sich für die Mädchenbildung stark machten, stellt man fest, dass sie dies nur taten, wenn sie ledig oder verwitwet waren. 1874 gab sie dann ihre Schule endgültig auf, in diesem Jahr wurde dann die Städtische Höherer Töchterschule, das heutige Max-Slevogt-Gymnasium, gegründet.
Er wollte nie Soldat werden. Der dritte Sohn von 19 Kindern, geboren am 23. Juli 1823 im Schloss Glött bei Dillingen, hatte andere Träume. Am liebsten hätte Theodor Graf Fugger-Glött Naturwissenschaften oder Mathematik studiert. Doch sein Vater sah andere Pläne für ihn vor. Als er 19 Jahre alt war musste er sich, genau wie seine Brüder, in den Soldatenrock zwängen. 1842 wurde er Teil des königlich bayerischen 2. Artillerie-Regiments. Im selben Jahr kam Fugger-Glött als Kadett nach Landau, wo er in der Weißen Kaserne stationiert war.
Während der Revolutionszeit brodelte es in der Garnison. Festungskommandant Wilhelm von Jeetze ließ am 5. Mai 1849 die Festung und Garnison Landau in den Kriegszustand versetzen. Den Soldaten machte dies zu schaffen: sie benahmen sich daneben, zerstörten und tranken. Dem Tagesbefehl vom 15. Mai, dass diejenigen Soldaten, die der Verteidigung nicht mehr treu sind, die Garnison verlassen mögen, folgte eine Welle an Ausstiegen. Fast zwei Drittel aller Soldaten desertierte und schloss sich den Freischärlern an oder zog heim. Auch Graf Fugger-Glött folgte dem Trend und verließ die Truppe. Auf Anweisung hatte er die Stadt Landau zu verlassen und nicht wieder zu betreten. Er schloss sich den Freischärlern an, die gemeinsame, aufständische Aktivitäten verfolgten.
Der pfälzische Aufstand von 1849 basierte auf Forderungen und Wünschen, wie die der Volkssouveränität, der Einigung des Landes oder der Presse- und Meinungsfreiheit. In der Hoffnung den König und das bayerische Königreich von der Reichsverfassung zu überzeugen, begannen auch die Landauer zu rebellieren, sei es durch Protestaktionen, sei es durch bewaffneten Widerstand. Am Ende entschied Bayern den Kampf auf gewaltsame Weise für sich. Die liberal-demokratischen Freiheitsbestrebungen scheiterten.
Nach dem Zusammenbruch der Revolution wollte Fugger-Glött nach Frankreich fliehen. Während der Flucht jedoch passierte ein großes Unglück. Auf dem Weg nach Frankreich verirrte er sich und landete stattdessen im Dorf Impflingen. In Impflingen wurden er und zwei andere Soldaten gefangen genommen und ins Landauer Gemeindehaus gesperrt. Dies geschah in der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 1849. Somit hatte der Deserteur verbotenerweise Landauer Boden betreten.
Es folgte eine Anklage wegen Desertion und Hochverrates. Das Urteil lautete: Todesstrafe. Selbst Gnadengesuche waren vergebens. König Max II. entschied 1850, dass das Todesurteil verstreckt werden müsse. Am 11. März versammelte sich die gesamte Garnison auf dem heutigen Platz der Pestalozzi-Schule. Die Schüsse fielen. Fugger-Glött wurde gerade einmal 26 Jahre alt. Die Grabplatte im städtischen Friedhof erinnert noch immer an ihn.
Er hätte sicher gegen Trump und dessen Politikstil gezeichnet, der Begründer der politischen Karikatur in den USA und gebürtige Landauer Thomas Nast.
Thomas Nast wird am 27. September 1840 in bescheidenen Verhältnissen in der Festungs- und Garnisonsstadt Landau als Sohn eines bayerischen Militärmusikers geboren. Wie viele andere Pfälzer wagt die Familie 1846 einen Neubeginn und wandert in die USA aus. Dabei hatten die Auswanderer nichts im Gepäck außer wenigen Habseligkeiten, einem zähen Überlebenswillen und der großen Hoffnung auf ein besseres Leben in der Neuen Welt.
Vor allem die „Palatines“, für lange Zeit das Synonym für alle ausgewanderten Deutschen, zogen nach Westen. Über 150.000 Menschen verließen aus wirtschaftlichen und politischen Gründen die Pfalz und träumten den „amerikanischen Traum“ von Wohlstand und Erfolg.
Ein New Yorker Verleger entdeckt das zeichnerische Talent des erst 15-jährigen jungen Mannes und verhilft ihm zu einer erstaunlichen Karriere: Thomas Nast wird zu dem bekanntesten amerikanischen Karikaturisten des 19. Jahrhunderts. Seine Interpretationen der politischen Verhältnisse beeinflussen die Wahl von Präsidenten und leben in vielen amerikanischen Symbolen fort. Jahrzehnte arbeitet er für die Wochenzeitschrift Harper’s Weekly, danach versucht er sich selbst als Zeitungsverleger. Doch seine Erfolgsjahre enden, und er gerät in finanzielle Schwierigkeiten. Präsident Theodore Roosevelt schätzt seinen politischen Intellekt und bietet ihm einen Posten als Generalkonsul in Ecuador an. Nur wenige Monate im Amt, stirbt Thomas Nast dort am 7. Dezember 1902 an Gelbfieber.
Über Jahrzehnte galt Thomas Nast als der einflussreichste amerikanische Bildjournalist, der zeitgenössische Ereignisse mit gezielter Symbolik in Szene setzen konnte. Wenn er uns heute so aktuell und gegenwärtig erscheint, so liegt dies vor allem an seiner geschliffenen Bildsprache. Die Figur des Uncle Sam oder der Columbia, auch heute sind diese Symbolisierungen aus der amerikanischen Politik nicht mehr wegzudenken. Der demokratische Esel und der republikanische Elefant, das sind die Parteisymbole, die ihre Popularität Thomas Nast verdanken. Auch im Präsidentschaftswahlkampf 2024 werden sie präsent und kaum wegzudenken sein.
Dennoch, dass uns manche seiner Karikaturen geradezu frappierend an derzeitige politische Ereignisse und Entscheidungen in den USA erinnern, liegt auch an den heutigen Umständen: Spätestens die Präsidentschaft Donald Trumps offenbarte die Schwächen des amerikanischen Regierungssystems. Schwächen, die bereits im 19. Jahrhundert offen zu Tage traten und die Thomas Nast in seinen Karikaturen unnachsichtig illustrierte und interpretierte und die damit eine neue Aktualität erhalten: Zum Beispiel die Frage nach der Zukunft der großen Parteien in den USA, vor allem der Republikaner, die sich nach anfänglich offener Ablehnung und Skepsis hinter Donald Trump mehrheitlich versammelten und die Schwächen des amerikanischen Regierungssystems einmal mehr offenbaren.
Der Kampf mit dem Zeichenstift für ein demokratisches Amerika ließ Thomas Nast nicht ruhen. In den 1870er-Jahren stieß er auf die größte Herausforderung seiner Karriere, den Kampf gegen Korruption und Machtgier in der Politik. Sein besonderes Interesse galt William Marcy Tweed. Es war vor allem der Veröffentlichungen von „HarpWeek“ und Thomas Nast zu verdanken, dass dessen System der Korruption und politischen Willkür gestürzt wurde.
„In seinem Korps sehen besonders häßlich die liederlichen Dirnen aus, die in Mannskleidern und die Muskete auf der Schulter mitzogen. Die Madame Blenker hat unstreitig zu diesem Unfug Anlaß gegeben. […] Aber vielleicht hatte Madame Blenker ein Amazonenkorps errichten wollen.“ Diese zeitgenössische Beschreibung bezog sich auf das Freischärlerkorps von Ludwig Blenker und seine Frau Elise Blenker.
Die Gruppe von Freischärlern unter der Führung von Ludwig Blenker war unter anderem verantwortlich für die Belagerung der Festung Landau während der Revolution von 1848/49. Ihr Mann, der Weinhändler Ludwig Blenker, war Vorstand des demokratischen Vereins von Worms und Oberst der dortigen Bürgerwehr. Mit ihm zog Elise während der Revolution von 1848/49 als „bewaffnete Amazone" in den badisch-pfälzischen Freiheitskampf. Freischärler waren aufständische Kämpfer, die nicht für eine reguläre Kriegspartei kämpften. In diesen Korps kämpften auch Frauen mit, eine Besonderheit für die damalige Zeit. Geboren und aufgewachsen war sie in Köthen, im heutigen Sachsen-Anhalt. Später heiratete sie den ehemaligen Offizier Ludwig Blenker in Worms. Sie folgte ihrem Mann als dieser sich gegen die Regierung stellte und zum Freischärler wurde. 1848 wurde Blenker zum Obersten der Wormser Bürgerwehr gewählt. Auch für das Bürgermeisteramt wurde er vorgeschlagen, doch seine Wahl wurde verhindert. Blenker wandte sich daraufhin der radikalen Opposition zu und wurde im April 1849 Anführer der Rheinhessischen Freiwilligen. Sein Freischärlerkorps belagerten unter anderem die Festungen Landau und Germersheim. Die Belagerung der Festung Landau war ursprünglich als Sturm auf die Festung geplant. Da aber nur etwa die Hälfte der Freischärlertruppe bewaffnet war und die in der Garnison verbliebenen Soldaten die Festung mit eisernem Willen verteidigten, schlug der Sturm schnell in eine Belagerung um. Einzige Möglichkeit die Festung und damit auch einen großen Vorrat an Waffen einzunehmen, wäre eine Aushungerung der Festung gewesen. Aber auch der Versuch, die Versorgung aus den umliegenden Dörfern abzuschneiden, scheiterte. Bei diesem Vorhaben begleitete Elise Blenker ihren Mann zu Pferde, bewaffnet und mit Hosen gekleidet, Kleidung die eigentlich nur Männern vorbehalten war. Nach der gescheiterten Belagerung von Landau reisten die beiden mit ihren Gefolgsleuten weiter über Karlsruhe zum Schloss Ebertstein in der Nähe von Rastatt, das sie dann plünderten. Da sie für ihr Mitwirken bei den Freischärlern gesucht und später auch verurteilt wurden, flüchteten die Blenkers über die Schweiz in die USA. Dort starb Elise Blenker 1908 in Mount Vernon.
Alle Schülerinnen, die zur Maria-Ward-Schule gingen oder gehen, kennen sie: Fanny Becht, die Schulgründerin der heutigen Maria-Ward-Schule, die sich vor allem der weiblichen Bildung im 19. Jahrhundert zuwandte und die die erfolgreichste Privatschule in Landau gründete.
Die 1827 in Landau geborene Tochter eines Musiklehrers beschloss bereits zu einem frühen Zeitpunkt, sie hatte gerade ihre Schulausbildung in einer Mädchenschule im Elsass abgeschlossen, sich vollständig der Mädchenerziehung zu widmen. Nachdem sie ihre Prüfungen mit hervorragenden Ergebnissen abgelegt hatte, gründetet sie 1858 eine „Private Unterrichts- und Erziehungsanstalt“ für Mädchen im Haus ihrer Eltern in der Fleischbankgasse 45, in der heutigen Badstraße.
Die Zahl der Schülerinnen wuchs stetig, und so investierte sie 1876 in den Bau einer neuen Schule in der Westbahnstraße 19/21.
Fanny Becht war bestrebt, die Mädchen sowohl mit den für ihren späteren Lebensberuf notwendigen und nützlichen Kenntnissen und Fertigkeiten auszustatten, als auch insbesondere „ihr Gemüt zu veredeln“, wie dies ein mehrsprachiges Werbeprospekt versprach. Dabei war das Augenmerk auf „Ordnung und feine Sitte, auf bescheidene Einfachheit und weibliche Anmuth der Zöglinge gerichtet, und Fanny Becht sicherte ihren Schülerinnen mütterliche Sorgfalt und Pflege zu.
Eine weibliche Schulbildung, die neben den elementaren Schulfächern wie Lesen, Schreiben und Rechnen weiterführende intellektuelle Inhalte vermittelte, schien für die meisten Zeitgenossen wenig erstrebenswert. Da das bürgerliche Mädchen dazu bestimmt sei „(...) einmal das eigenste Eigenthum eines Einzigen zu werden und im kleinen Kreis zu wirken“ schien eine intellektuelle Erziehung und Bildung weder notwendig noch für die weibliche Sittlichkeit und Moral förderlich. Nicht nur Adolf von Knigge, der uns heute noch als „Benimmpapst“ in Erinnerung ist, überfiel eine “Art von Fieberfrost“ bei dem Gedanken einer „weiblichen Gelehrsamkeit“, auch andere prominente Zeitgenossen waren der festen Überzeugung, dass das „Frauenzimmer (...) ohne Zweifel nicht in die Hörsäle und Studierzimmer der Gelehrten“ gehörte. Demgemäß wurden die Mädchen auch in den südpfälzischen Schulen fast ausschließlich in den sogenannten schöngeistigen Fächern unterrichtet. Unter Fanny Bechts engagierter Führung gelangte die Bildungseinrichtung zu sehr hohem, auch internationalem, Ansehen. Aus allen Teilen Deutschlands, sogar aus Indien und Japan, schickten Eltern ihre Töchter auf diese Schule, zu der auch ein Pensionat gehörte.
Bei diesem enormen Zulauf reichten selbst die neuen Räumlichkeiten bald nicht mehr aus.
In dieser Situation griffen ihr ihre Landauer Freundinnen Antoinette Demontant und Emma Geenen unter die Arme, mit deren finanzieller Hilfe der Neubau in der Cornichonstraße 1 errichtet werden konnte, eine für damalige Verhältnisse außerordentliche unternehmerische Leistung der drei Frauen. 1896 überließ Fanny Becht die Schule der Kongregation der „Englischen Fräuleins“. Dort lebte sie bis zu ihrem Todestag am 20. Dezember 1907.
Emma Geenen war eine der großzügigsten Spenderinnen der Stadt. Während ihres gesamten Lebens spendete sie fast 300.000 Goldmark. Das entspricht heute über 2 Millionen Euro.
Einigen wird der Name Emma Geenen ein Begriff sein, immerhin ist eine Straße im Wohnpark am Ebenberg nach ihr benannt worden. Sie finanzierte gemeinsam mit Antoinette Demontant und Fanny Becht den Bau des damals neuen Schulgebäudes für das „Institut Becht“. Dieses Gebäude steht noch immer und ist der heutige A-Bau der Maria-Ward-Schule. Emma Geenen spendete aber nicht nur an das „Institut Becht“, sondern an viele katholische, gemeinnützige Organisationen. Darunter waren Spenden an das Vinzentius-Krankenhaus, den katholischen Kirchenbauverein Landau und den Elisabethenverein, der unter anderem Träger des Elisabethenstifts in Godramstein ist. Außerdem werden ihr einige anonyme Spenden zugeschrieben. Diese Spenden waren unter anderem für den Bau des katholischen Pfarrhauses und der Marienkirche und beliefen sich auf eine Summe von ca. 100.000 Goldmark. Das entspricht heute ca. 700.000 Euro.
Aber woher kam dieses Geld und warum konnte Emma Geenen so frei darüber entscheiden? Zu dieser Zeit war es eigentlich noch üblich, dass die Ehemänner das Geld der Frauen mitverwalteten. Das Geenen selbst über ihr Vermögen entscheiden konnte, lag hauptsächlich daran, dass sie bereits mit 27 Jahren verwitwete. Ihr Mann war der Arzt Dr. Remigius Ludwig Geenen gewesen. Er starb schon mit 36 Jahren an Typhus. Woher ihr Vermögen stammte, lässt sich nicht mit vollkommener Sicherheit rekonstruieren. Vermutlich stammte es aus Hinterlassenschaften der Familien ihrer Eltern und ihres Mannes. Ihr Grab ist noch heute auf dem Landauer Hauptfriedhof erhalten. Auch in ihrem Testament ließ sie die Organisationen nicht leer ausgehen. So ging beispielsweise ihr Wohnhaus in der Westbahnstraße 19 in den Besitz der Maria-Ward-Schule über.
Als großzügige Sponsorin hat Emma Geenen vielen Institutionen und Organisationen Fortschritte ermöglicht, die noch heute in der Stadt sichtbar sind.
Unter ihm blühte die jüdische Gemeinde Landaus auf. Elias Grünebaum, Bezirksrabbiner in Landau, kümmerte sich um 457 jüdische Familien. Er sorgte stets für ein aktives Gemeindeleben. Geboren ist Grünebaum im September 1807 im nordpfälzischen Reipoltskirchen. Mit 16 Jahren zog er nach Mainz und nach Mannheim, um dort einem intensiven Studium des Talmud nachzugehen. Dabei lernte er die Grundlagen für seine spätere Tätigkeit. In seiner Freizeit nahm er Privatunterricht, in welchem er die alten Sprachen Latein und Griechisch erlernte. Nach seinem Abitur 1834 in Speyer widmete sich Grünebaum dem Studium der Philosophie und der Arabistik an den Universitäten Bonn und München. Möglicherweise beeinflusste die Kenntnis der alten Sprachen seine Begeisterung für die Philosophie.
Dann kam alles Schlag auf Schlag: 1834 legte Grünebaum die Rabbinatsprüfung ab, wobei er den ersten Platz belegte. Ein Jahr später erhielt er seine erste Stelle im Fürstentum Birkenfeld, wo er als Landrabbiner das jüdische Schulwesen reorganisierte. Im Jahr 1836 wurde der Rabbiner nach Landau berufen. Dies sollte auch seine „Lebensstelle“ werden, hat er doch 57 Jahre lang hier gewirkt. Er lebte ebenfalls in Landau, zusammen mit seiner Frau Johannette Strauß und ihren 12 gemeinsamen Kindern. Mit den Themen Familienalltag und –struktur sowie ihren Herausforderungen hatte der Rabbiner also auch in seinem Privatleben Erfahrungen gemacht, die er beispielsweise bei der Beratung jüdischer Familien einbringen konnte. In seinen Gottesdiensten legte Grünebaum besonderen Wert auf emotionale Erfahrungen und Erlebnisse. Er wollte „wahre Herzensandacht“ betreiben, um so Emotionen während des Gottesdienstes hervorzurufen. Aber auch an der Schriftstellerei hatte er Freude. Mit seinen unzähligen Publikationen zählte er zu den aktivsten Rabbinern seiner Zeit. Außerdem galt er als einer der ersten wissenschaftlich gebildeten Rabbiner Deutschlands. Mit Schleifung der Festung engagierte er sich als treibende Kraft für den Synagogenneubau. Nach zweijähriger Bauzeit wurde sie, begleitet von einem großen Landauer Publikum, von Grünebaum eingeweiht. Die Synagoge wurde ein monumentales Prachtstück, wie sie keine pfälzische Gemeinde besaß. 1886 war Grünebaum bereits 50 Jahre in Landau. An seinem Dienstjubiläum bekam er im Auftrag des Königs den Verdienstorden vom Heiligen Michael überreicht. Sieben Jahre später, mit 86 Jahren, ist der Rabbiner verstorben. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof, dessen Anlage er maßgeblich betrieben hatte, begraben.
Dass Grünebaum erfolgreich gewirkt hat, lässt sich an der wachsenden Zahl von jüdischen Einwohnern ablesen. 1864 lebten 377 jüdische Einwohner in Landau, 1900 waren es schon 821. Die Zahl hat sich also innerhalb von ein paar Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Auch wenn Grünebaum zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben war, kann diese Steigung als Nachwirken seiner Taten gesehen werden. In seiner Tätigkeit als Rabbiner wirkte Elias Grünebaum sehr nahbar, was insbesondere die jüdische Gemeinde, aber auch die nicht-jüdische Gesellschaft in Landau, sehr schätzte.
Ludwig Levy wird in Fachkreisen als einer der bedeutendsten süddeutschen Architekten gehandelt. Dennoch ist sein Schaffen bis heute weitgehend unbeachtet.
Mit der Heirat zwischen Jonas Levy und Barbara Machhol bekam die junge, jüdische Familie auch ein Haus in Landau, auf dem heutigen Grundstück der Gerberstraße 10. Wenige Jahre später zog Jonas Levys Textilhandel an den heutigen Rathausplatz. Dort wuchs auch das jüngste Kind der Familie, Ludwig Levy, auf. Ludwig Levy besuchte zunächst die israelitische Volksschule in Landau, später die Realschule in Landau. Nachdem er die Realschule abgeschlossen hatte, fing er ein Studium in Mathematik und Ingenieurswesen am Polytechnikum in Karlsruhe an, sehr zum Verdruss seines Vaters. Dieser hätte sich ein Medizinstudium gewünscht. Doch Ludwig Levy konnte seinen Wunsch durchsetzen. Später studierte er dann Architektur, allerdings nur drei Semester und ein Semester als Hospitant. Vermutlich fehlte zu diesem Zeitpunkt das Geld zur weiteren Finanzierung des Studiums. Dementsprechend absolvierte Levy auch nicht direkt nach seinem Studium die damals für Architekten übliche Reise nach Italien. Stattdessen arbeitete er zunächst in verschiedenen Architekturbüros. Erst fünf Jahre nach Beenden des Studiums trat er seine Bildungsreise nach Italien an. Nach zehn Monaten kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete ab diesem Zeitpunkt zusammen mit dem Architekten Paul Wallot. Paul Wallot hat das Reichstagsgebäude in Berlin entworfen. 1882 wurde Levy beauftragt, die Kaiserslauterer Synagoge zu entwerfen. Dafür zog er nach Kaiserslautern und gründete dort auch sein eigenes Architekturbüro. Im Laufe seines Lebens entwarf er noch einige weitere Synagogen, die allerdings alle den Nationalsozialisten zum Opfer. Neben Synagogen baute Levy auch christliche Kirchen, sowie Wohnhäuser in verschiedenen Städten. Exemplarisch zu nennen wären hier die Villa Streccius, Mahla und Ufer in Landau, sowie die Villa Böhm in Neustadt. Mit nur 32 Jahren wurde Levy Lehrer an der Baugewerkschule in Karlsruhe. Ab 1902 war er Bautechnischer Referent im Ministerium des Inneren. Bereits fünf Jahre später starb Levy im Alter von 53 Jahren im Zug auf einer Dienstreise. Zur Todesursache wurden verschiedene Angaben gemacht. Er hinterließ eine Frau, Flora Levy geb. Levinger, sowie zwei Kinder, Marie Babette und Erwin Walter. Flora Levy wurde 1942 deportiert, zunächst in das KZ Gurs, später verstarb sie im KZ Theresienstadt. Ihre Kinder waren zu diesem Zeitpunkt beide schon tot, Enkel gab es keine. Auch sein Nachlass ist bis heute verschollen.
Sie war eine der Frauen, die sich in so jungen Jahren aktiv in das gesellschaftliche Geschehen eingebracht haben: Hermance Metzger, geborene Katz. Für sie war es eine Selbstverständlichkeit, Engagement zu zeigen und zu versuchen, die Lebensumstände ein kleines bisschen besser zu machen.
Hermance Metzger ist 1864 in Straßburg geboren, dank ihrer Eltern hatte sie französische und pfälzische Wurzeln. Bereits in der Kindheit lebte das Mädchen nicht mehr bei ihren Eltern. Sie wuchs bei ihrer Großmutter und den Verwandten auf. Es war eine glückliche Kindheit. Als Jugendliche besuchte Hermance die städtische höhere Mädchenschule, wo sie unter anderem mit dem Theater in Kontakt kam. Aber auch für das Schreiben konnte sich die junge Frau begeistern. So schrieb sie für verschiedene regionale Zeitungen Novellen. Diese veröffentlichte sie jedoch nicht unter ihrem eigenen Namen, sondern unter Pseudonymen. Mit 19 Jahren heiratete sie den Weinhändler Sigmund Metzger. Das Paar lebte mit seinen sieben Kindern in Landau. Aus Hermance erwuchs eine gebildete, aufgeklärte Frau mit dem Willen, etwas in der Gesellschaft bewegen zu wollen.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg engagierte sich Hermance im „Verein für Fraueninteressen“ und baute zusammen mit anderen Frauen eine Auskunftstelle des Roten Kreuzes in Landau auf. Ihr persönliches Steckenpferd war die Gefangenenfürsorge. Dieses Thema schien ihr besonders am Herzen zu liegen. So sammelte sie Hilfsgüter für Kriegsgefangene ein, um nur ein Beispiel zu nennen. Doch auch der Einsatz für die Frauenrechte kam nicht zu kurz. Hermance setzte sich stark für das Frauenwahlrecht ein.
Was Hermance während des Ersten Weltkrieges beschäftigte, lässt sich aus ihrem Tagebuch erfahren. Darin dreht es sich nicht nur um Gefangenenfürsorge, sondern auch um das Kriegsgeschehen an sich, die politischen Reden und Veranstaltungen, und die rasante Entwicklung in den deutschen Städten. In ihren Unterlagen kommentierte und kritisierte sie das Kriegsgeschehen, sie war gefühlsmäßig komplett in den Krieg involviert. Der Zweifrontenkrieg besorgte sie besonders: sie sah die Leiden der Soldaten und der Zivilisten. Gleichzeitig fieberte sie jedoch mit den deutschen Truppen mit und freute sich über deren Erfolge. Dass Hermance sehr vom Krieg betroffen zu sein scheint, lässt sich folgender Zeile entnehmen: „Deutschlands tragisches Geschick legt sich wie ein Alp auf meine Brust und ich weine, weine, weine!“
Hermance Metzger war eine gesellschaftlich relevante Person, die der Stadt Landau kurz vor und auch während der Kriegszeiten mit ihren Wohltaten das Leben erleichterte. Aus ihrem Interesse für die sozialen und politischen Systeme folgte eine rege Anteilnahme am Befinden des Landes und der Stadt Landau.
„Es sind artige und brave Mädchen, man bemerkt keine Plauder- und Tändelsucht, und auf der Straße vorbeiziehendes Militär vermochte das Auge nicht einer Schülerin vom Lehrer abzulenken.“
Diese Einschätzung im Visitationsbericht der Städtischen Höheren Töchterschule aus dem Jahr 1875 verdeutlicht das Dilemma Landauer Frauen in den letzten Jahrhunderten: Wohin man als Landauerin den Blick auch schweifen ließ, die männlich-militärisch geprägte Umwelt machte die Grenzen einer weiblichen Lebenswelt schnell erlebbar. Generationen von Landauer Mädchen wuchsen in einer Stadt heran, deren Alltag stets militärischen Bedürfnissen untergeordnet war. Und um im zitierten Bild zu bleiben, die lernten und verinnerlichten, stets den Blick gesenkt zu halten.
Über 300 Jahre lang, von 1680 bis zum Jahr 1999, war Landau eine Garnisonsstadt, fast ununterbrochen waren tausende Soldaten in der Stadt stationiert, und fast 200 Jahre lang beeinflusste die barocke Vauban-Festung die Stadtentwicklung und das Leben der Menschen in dieser eng umgrenzten Umwelt. Und stets lebten schlicht zu viele Männer auf zu kleinem Raum. Für den Stadtrat gab es nur eine Lösung, die Prostitution sei „rätlich und notwendig“.
Ein Wort zur Quellenlage: Frauen, das erfahren wir immer wieder, tauchen in der Regel im historischen kommunalen Schriftgut nur in Ausnahmesituationen zutage. Nur wenn weibliches Handeln in Konflikt mit städtischen oder staatlichen Behörden gerät, werden Frauen und ihre Lebensbedingungen erfahrbar. Keine weibliche Bevölkerungsgruppe taucht in den Landauer städtischen Akten des 19. Jahrhunderts so häufig auf, wie die, um im zeitgenössischen Sprachgebrauch zu bleiben, „liederlichen Weibspersonen“.
Diese Aktenbestände offenbaren auf der einen Seite die unverblümt geäußerte bürgerliche Doppelmoral. Auf der anderen Seite eröffnen sie die Sicht auf unsägliche Lebensumstände von Frauen, deren unbeschönigten Schicksale und Lebensumstände niemanden interessierten und die von allen Bevölkerungsschichten, von Männern und Frauen, gleichermaßen abgelehnt und geächtet wurden.
Auffällig ist, dass viele jener Frauen im städtischen Schriftgut nicht mit Klarnamen genannt werden. Offenbar kannte jedermann das schwarze Mariandel, das Nußdorfer Liesel, die Kaffeekättel oder das Lenchen vom Goldenen Fässel. Wer diese Frauen waren, wissen wir nicht. Im Gegensatz zu größeren Städten existierten in Landau im 19. Jahrhundert keine Bordelle. Man kannte die einschlägigen Wirtschaften, zum Beispiel in der Blumgasse das Wirtshaus Rebstöckl, oder den Branntweinwirt Walter in Queichheim, wo junge Frauen als Schankmädchen arbeiteten und als Dirnen ihr Zubrot verdienten.
Diese kleinen Wirtshäuser wurden in unregelmäßigen Abständen kontrolliert. Solange die Frauen ihrer monatlichen „geschlechtlichen Untersuchungen“ im Bürgerspital nachkamen und für gesund befunden wurden, wurden sie in der Stadt geduldet. Besonders prekär war ein Aufenthalt für jene Frauen, die kein Heimatrecht in Landau besaßen und aus den umliegenden Dörfern in die Stadt zogen. Immer wieder wird von schier unglaublichen Zuständen berichtet. So wurden im Januar 1823 vier obdachlose Frauen aufgegriffen, die in den Tierställen der Wirtshäuser und Kasernen lebten. Offenbar hatten sie gegen körperliche Dienste die Militärwachen an den Toren der Stadt bestochen, um innerhalb der Mauern Kontakt mit der potenziellen Kundschaft aufnehmen zu können. Oftmals waren es wohl junge Frauen, die mittellos von Stadt zu Stadt zogen und sich als Schankmädchen in den kleinen, einschlägigen Wirtschaften anstellen ließen. Meist erhielten sie nur dann einen Lohn, wenn sie Soldaten in die Wirtshäuser locken konnten. So gab der „Franzosenwirth Claveau“ vor dem Bürgermeisteramt zu Protokoll, dass „die Dirnen durch ihr eigentlich Geschäft“ doch gut genug verdienten und er ihnen nicht noch einen Lohn für das Bedienen schulde, zumal er ihnen doch „den Eselstall hinter der Wirtschaft“ zur Verfügung gestellt habe. Obligatorisch waren die monatlichen Zwangsuntersuchungen für Prostituierte im Bürgerspital, in der Königstraße. Das zentrale Anliegen aller beteiligten Stellen war dabei die Eindämmung der Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten, vor allem dann, wenn nicht nur Soldaten davon betroffen waren, sondern auch junge Landauer Bürgersöhne.
Schon 1831 wies der Landauer Arzt Friedrich Paul in seiner Medizinischen Statistik der Stadt Landau darauf hin, dass in einer Garnisonstadt wie Landau „die venerische Krankheit daselbst nicht zu den selten gezählt“ wird. Dazu gehörten vor allem die Gonorrhoe und die Syphilis, die immer wieder in Wellen epidemieartig in der Stadt auftauchten und zu einer regen Betriebsamkeit der zuständigen Stellen führte. Wenn das Garnisonskommando die Soldaten ermahnte, von Ausschweifungen abzulassen und vor allem den Umgang mit Prostituierten zu vermeiden, so kam der Hinweis auf Geschlechtskrankheiten nicht von ungefähr. Allein im Jahr 1826 wurden 31 Soldaten im Landauer Militärkrankenhaus behandelt. Während des Deutsch-Französischen Krieges wurden in der Garnison Landau 335 an Syphilis erkrankte Soldaten in Landau behandelt.
Die Tätigkeit als Dienstmädchen war am Ende des 19. Jahrhunderts der am weitesten verbreitete weibliche Beruf. Hier in der Südpfalz waren es vor allem junge Frauen aus den umliegenden Dörfern, die von ihren Eltern in die Stadt geschickt wurden, um dort als Haushaltshilfe zu arbeiten. Auf dem Land gab es kaum Stellen für Mädchen. Mägde wurden nur auf Höfen mit Angestellten gebraucht und davon gab es nicht viele.
Als Dienstmädchen würde man so zumindest das Hauswirtschaften lernen – eine wichtige Fertigkeit als spätere Hausfrau und Ehefrau. Und hier in der Garnisonsstadt Landau hofften viele, eine passende Partie machen zu können, immerhin ein Vorteil des doch deutlichen Männerüberschusses in der Stadt.
Therese Hauck wurde 1886 in Burrweiler geboren, und sie arbeitete seit ihrem 16. Lebensjahr in verschiedenen Landauer Haushalten als Dienstmädchen, darunter auch bei dem Notar Heinrich Streccius im Südring.
Der Alltag eines Dienstmädchens war hart: körperlich anstrengende Arbeit, wenig Lohn, kaum Freizeit oder Ausgang und häufig genug kam auch noch sexuelle Ausbeutung durch den Arbeitgeber hinzu.
Anders als Fabrikarbeiter hatten Dienstboten keine geregelten Arbeitszeiten. Sie mussten, wenn nötig, ihren Dienstherren rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Das Dienstmädchen stand als Erste auf, befeuerte die Öfen, machte Wasser zum Waschen und fürs Frühstück warm, servierte die Mahlzeiten, räumte wieder ab, spülte und putzte, kaufte ein und erst wenn alle Arbeit erledigt war, hatte man eine wenig Freizeit.
Alle 14 Tage durften die Mädchen sonntags für zwei Stunden das Haus verlassen – in der Regel war das der einzige Ausgang, den sie hatten.
Der Lohn bestand aus wenig mehr als Kost und Logis. Etwas zurücklegen für später konnten die wenigsten jungen Frauen. Manchmal wurde das kleine Entgelt den Eltern gezahlt.
Auch die Unterbringung ließ oft zu wünschen übrig.
Therese Hauck hatte zumindest bei Notar Streccius, in der Villa am Südring, eine kleine Kammer für sich, häufig schliefen die jungen Frauen auf Hängeböden, einer kleinen Fläche von etwa zwei mal zwei Metern bei einer Raumhöhe von etwa 1,50 Metern.
Die Rechte und Pflichten für Dienstmädchen regelten die Gesindeordnungen der einzelnen Länder. Kennzeichen jeder Gesindeordnung waren viele Rechte für die Dienstherren und viele Pflichten für die jungen Frauen. Die bayerische Gesindeordnung zählt zum Beispiel folgende Gründe auf, warum einem Dienstmädchen gekündigt werden darf:
"andauernde Krankheit, Untreue, Trunkenheit, ausgelassener Wandel, fortgesetzter Unfleiß, Ungehorsam, eigenmächtiges oder heimliches Entlaufen".
Therese Hauck fand offenbar ihr Glück: Sie lernte in Landau einen bayerischen Militärmusiker kennen, sie beendete ihr Arbeitsverhältnis und war dann selbst Hausfrau und Herrin ihres eigenen Haushalts in Ansbach.
Ohne ihn hätten wir heute keine bildliche Vorstellung der Landauer Festung, kurz bevor sie geschleift wurde. Jakob Friedrich Maurer, ein gebürtiger Franke, eröffnete im November 1864 sein „Photographisches Atelier“ in der Trappengasse 5.
In den 1840er-Jahren wurden die ersten bildlichen Ablichtungen, die Daguerreotypien, in Landau gezeigt. Eine erste Architekturablichtung zeigt die Katharinen-Kapelle noch mit Turm, der 1849 während der Belagerung beschossen worden war.
Seit den 1860er-Jahren erlebte die Fotografie auch in Landau eine erste große Blütezeit: Carl Lutz, Cölestin Colin oder Joseph Tiator waren jene Landauer Fotografen, die sich nun vor allem der Porträtfotografie widmeten. Nun war es erstmals auch für Normalverdiener aus den bürgerlichen Schichten möglich, Bilder von sich anfertigen zu lassen, auf diese Weise ihr individuelles „Selbstbild“ zu reproduzieren und als eine Art von Visitenkarte zu verteilen. Eine gesellschaftliche Gruppe, die in dieser Zeit fotografisch sehr gut dokumentiert ist, sind Offiziere und Mannschaften der Landauer Regimenter.
Und die Nachfrage wuchs stetig, 1892 wurden bereits fünf Fotografen im ersten gedruckten Landauer Adressbuch aufgeführt: Leistungsfähigere Kameras und immer lichtempfindlichere Fotoplatten ermöglichten es den Fotografen, ihre Ateliers zu verlassen, um der Wirklichkeit auf den Leib zu rücken. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts machten sich die Fotografen auf den Weg, jeden Winkel der Erde abzulichten. Ob Städte, Landschaften, Bauwerke oder Kunstwerke, alles wurde zum ersten Mal fotografiert und die Zeitgenossen nannten die frühen Fotografien „einen mit der Erinnerung ausgestatteten Spiegel.“ Und Jakob Friedrich Maurer schuf einen Blick in unsere Vergangenheit, in dem er die für die Stadtentwicklung so wichtige Phase der Entfestigung ab 1870 festhielt. Der „Landauer Anzeiger“ wies im Januar 1870 auf eine von Maurer gestaltete „Mappe für historische Sammlungen mit 16 Photographien Landau betreffend“ hin. Bis 1880 wuchs diese wunderbare Fotosammlung auf 56 Blätter an, die in bestechender Qualität die Reste der barocken Festungsanlage festhielten. Am 12. Juli 1880 starb Jakob Friedrich Maurer, sein Bruder August übernahm das Atelier und führte es bis 1895 weiter. Auch er widmete sich in besonderer Weise der Architekturfotografie.
46 Jahre war Wilhelm Schech der Landauer Baurat, der die Entfestigung der Stadt kontinuierlich und planvoll vorantrieb. Als er am 31.03.1932 im Alter von 85 Jahren starb, waren sich alle einig, er war derjenige der durch die Schleifung der Festung „Licht, Luft und Sonnenschein“ in die ehemalige Festungsstadt gebracht habe.
Der gelernte Schreiner machte damit eine heute kaum vorstellbare berufliche Karriere. 1873 wurde er als Bauzeichner und Assistent von Raimund Huber eingestellt. Raimund Huber, der als Ingenieur für die Umsetzung der 1873 vom Stadtrat beschlossenen „Grundsätze der Landauer Stadterweiterung zuständig war, überwarf sich jedoch mit dem Landauer Stadtrat und kündigte nur zwei Jahre später. Nun setzte der Stadtrat auf den gebürtigen Landauer Wilhelm Schech, der mit „zäher Energie und nie rastendem Eifer“ bis zu seinem 71. Lebensjahr für die Stadt tätig war. Die Ringstraßenbebauung, der Bau von Wasserleitungen und Kanalisation, die Schaffung des Industriegleises und der Bau der Schlachthofanlage fielen in seine Verantwortung.
Am Ende des Jahrhunderts hatte die Landauer Bevölkerung genug von ihrer veralteten Festung. Für viele Generationen war sie eine ungeliebte Reminiszenz an Krieg, Belagerung und Fremdbestimmung. Entschlossen wollte man das enge Korsett um die Stadt abstreifen. Zumal der Alltag in der Festung immer beschwerlicher wurde. Ganz zu schweigen von den täglichen Auseinandersetzungen zwischen Stadt- und Militärverwaltung.
Nach Eingaben bei der Bundesversammlung in München gelang 1867 ein entscheidender Schritt: Die Vorwerke durften bis auf wenige Ausnahmen abgetragen werden. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg wurde die Festungseigenschaft vollends aufgehoben. 1872 wurde der Kaufvertrag zur Übereignung der Festung an die Stadt unterschrieben. Ein Jahr später verabschiedete der Stadtrat die „Grundsätze der Landauer Stadterweiterung“.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Stadt nun rasant. In keiner Epoche zuvor war dieser Wandel so greifbar wie zur Jahrhundertwende. Nach und nach wurden die Festungswerke geschleift. Die Stadt öffnete, erweiterte und vergrößerte sich.
Schechs Verdienste bleiben den Zeitgenossen im Gedächtnis, zu seinem 80. Geburtstag wurde ihm vom Pfälzischen Architekten- und Ingenieursverein die Ehrenmitgliedschaft verliehen.
Berthold Einstein wurde durch verhängnisvolle Umstände Rabbiner. Da er jüdischer Konfession war, konnte sein erst gewählter Lebensweg als Gymnasialprofessor nicht verwirklicht werden. Also fiel die Entscheidung auf den Beruf des Rabbiners.
Einstein wurde am 31. Dezember 1862 in Ulm geboren. Bis zuletzt war er mit seiner Heimat tief verbunden. Von 1883 bis 1889 studierte Einstein am jüdisch-theologischen Seminar in Breslau, wo er von seinen Freunden, die ihn als „Frohnatur, voll ungebundener Jugendlaune“ bezeichneten, umgeben war. In Tübingen legte er dann das württembergische Rabbinatsexamen ab. Sein freiwilliges Jahr absolvierte er im Infanterieregiment Ulm. Daraufhin erlangte Einstein seine erste Stelle, die ihn nach Heilbronn führte. Dort lernte er auch seine Frau, Betty Victor, kennen. Sie beide verband ihre Liebe zur schwäbischen Heimat. Einstein bezeichnete sich deshalb gerne hin und wieder als „Schwabenkind“.
Seit 1895 wirkte der Rabbiner für knapp 40 Jahre in Landau. Eine Zeit, in der er sich beruflich sehr engagierte. Unter anderem gründete er die Ortsgruppe der Vereinigung für das liberale Judentum. Außerdem hielt er viele Vorträge und schrieb einige Aufsätze. In seiner religiösen Anschauung bekannte er sich zum aufrichtigen und offenen Liberalismus. Aber auch der Religionsunterricht an Schulen gehörte zu seinen Aufgaben.
In Gottesdiensten, und besonders an Feiertagen, hielt Einstein bedeutende Predigten. Zu seinen bekanntesten zählen die sogenannten „zwei Zeitpredigten“, die den Ersten Weltkrieg thematisieren. Ein Abdruck dieser, sowie handschriftliche Aufschriebe zu seinen Vorträgen, sind im Landauer Stadtarchiv erhalten geblieben.
Auch privat kümmerte sich Einstein um seine Beziehungen. Insbesondere seine Familie spielte eine wichtige Rolle in seinem Leben. Er pflegte, den Erzählungen seiner Tochter nach, innige und harmonische Familienbande. Ihr Vater sei ein eher bescheidener und zurückhaltender Zeitgenosse gewesen, der das gemütliche Familienleben einer großen öffentlichen Runde vorzog. Er liebte auch die Musik und das gemeinsame Musizieren. In seiner Freizeit oder auf Festen spielte er Klavier, und auch seine Schulkollegen kamen wöchentlich zu den Kammermusikabenden vorbei.
Berthold Einstein schien ein beliebter Rabbiner, Familienmitglied und Freund, dem Wärme und Harmonie im Gemeindeleben sowie im allgemeinen gesellschaftlichen Leben wichtig waren. Er setzte sich für eine liberale jüdische Religion und Kultur ein. Einstein ist im Jahr 1935, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg und der Verfolgung jüdischer Bürger, gestorben. Der Zeitpunkt war ganz im Zeichen der „Gottesgnade“, wie seine Tochter es nannte.
Regine Weil entstammte einer Landauer Lehrerfamilie: Ihr Vater Moses Weil war seit 1866 der letzte Lehrer an der israelitischen Schule in der Bachgasse.
Seine Tochter Regine wurde am 18.03.1855 im nordpfälzischen Gauersheim geboren und kam mit ihrer Familie nach Landau. Dort gründete sie 1877, zunächst in der Dienstwohnung ihres Vaters, ein Institut für jüdische Mädchen, die ihre Schulpflicht bereits erfüllt hatten. In der Wohnung muss es turbulent zugegangen sein, sodass die Aufsichtsbehörde in Speyer die beengten und lauten Verhältnisse mehrfach monierten. Wenige Jahre später, 1888, investierte die Familie in ein neu gebautes Gebäude in der Xylanderstraße 21, ein Zeichen dafür, dass das Mädchenpensionat außerordentlich erfolgreich wurde. Vor allem junge Frauen aus den europäischen Nachbarländern besuchten das Institut im Süden der Stadt, aber auch aus Russland, Böhmen und Indien schickte man jüdische Mädchen nach Landau, damit sie hier vor allem in der deutschen und hebräischen Sprache und Bibelkunde unterrichtet wurden.
Hier konnte man als junge Frau keinen qualifizierten Schulabschluss erwerben, schöngeistige Inhalte mit ein wenig „Rechenunterricht“ und „naturkundlichen Betrachtungen“ standen im Vordergrund: Singen, Klavier spielen und Handarbeiten waren die zentralen Bildungsinhalte der vor allem ausländischen jüdischen Schülerinnen. Bis zu 25 „Zöglingen“ konnte das Pensionat aufnehmen, die immer, so wurde den besorgten Eltern versichert, auch in ihrer Freizeit unter „beständiger Kontrolle“ des Lehrpersonals standen. So war Miss Lissy Tash für die täglichen Spaziergänge und die sportlichen Betätigungen an den Turngeräten im Pensionatshof und Josephine da Costa Andrade aus Brighton für die naturkundlichen Unternehmungen zuständig. 1928, Regine Weil war mittlerweile 73 Jahre alt, schloss sie ihr Pensionat aus Altersgründen. Sie starb im April 1935, zum Glück musste sie die Zerstörungen und Plünderungen in ihrem Haus in der Pogromnacht 1938 nicht mehr miterleben.
Alle Kunstinteressierten kennen sie: die Villa Streccius, im Südring 20, die vor allem im Frühjahr mit ihren blühenden Magnolienbäumen an der Prachtseite des Gebäudes sich besonders schön präsentiert.
Ihr Bauherr war der Notar Heinrich Streccius, der sich entlang der Ringstraße ein ebenso teures wie ausgefallenes Bauensemble vom damaligen Stararchitekten Ludwig Levy bauen ließ. Der Bauherr war vermögend, Jurist und Notar, der von 1891 bis 1899 in Landau urkundete. Geboren wurde Streccius am 25. Juli 1845 in Annweiler als Sohn eines Apothekers. Ab 1864 studierte er in Würzburg Rechtswissenschaften und trat 1874 seine erste Stelle als Amtsverweser in Speyer an. Ein Jahr später kehrte er dann in die südpfälzische Heimat, zunächst nach Annweiler, zurück. Nun führte er in Annweiler und Landau ein Notariat, bevor er um die Jahrhundertwende in ein neues Geschäfts- und Privatdomizil in exponierter Lage in der entfestigten Stadt investierte. „Echte Hölzer, Marmor und Kunstschmiedearbeiten“ sorgten dabei für ein gediegenes Innere. Auch technisch war man auf der Höhe der Zeit mit einer Niederdruckheizung und separaten Angestelltentoiletten.
Hier lebte und arbeitete nun Heinrich Streccius mit seiner Ehefrau und den beiden Töchtern.
Im Erdgeschoss befand sich zum Südring hin ein sogenanntes „Gehülfenbüro“ und das Arbeitszimmer des Hausherrn, unter dessen Zimmer lagerte übrigens der Wein. Im danebenliegenden Frühstücks- und Balkonzimmer mit Blick auf den hauseigenen Springbrunnen nahm man die frühen Mahlzeiten zu sich, die in der Küche im ersten Stock zubereitet wurden. Das klingt umständlich, aber das musste die Dame des Hauses nicht kümmern, in der Küche regierte eine Köchin und zahlreiche Dienstmädchen standen ihr hilfreich zur Seite. 1904 ließ Streccius im Rücken seiner prächtigen Villa einen „Pferdestall mit Wagenremise“ erbauen, heute das Domizil der kuk-Malwerkstatt.
So war man bestens gerüstet, als 1911 Kronprinz Ludwig von Bayern, der spätere bayerische König Ludwig III., nebst Gefolge in der Villa weilt und drei Tage seine pfälzischen Landsleute besucht. Heute erinnert im Eingangsbereich der Villa noch eine Büste an den Wittelsbacher.
Im Juni 1919 verlässt Heinrich Streccius Landau. Mittlerweile ist er 74 Jahre alt und Pensionär. Zunächst will er nur vorübergehend in der bayerischen Idylle in Hohenschwangau, in der Heimat seines inzwischen abgedankten königlichen Gastes, wohnen. Als jedoch am 14. Oktober die französische Besatzungsmacht seine Villa in Landau für die Generalität requiriert, bleibt er notgedrungen. Nun lebt er in Hohenschwangau mit Blick auf die Schlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau. Heinrich Streccius stirbt am 7. Juli 1931, kurz vor seinem 86. Geburtstag. Übrigens: Auch Heinrich Streccius hatte ein Faible für Bayerns heimliches Wappentier, den Schwan: Auf seinem aufwändig gestalteten Schlitten, mit dem man im Winter zu Pferd die verschneiten Ringstraßen entlangfahren konnte, wacht ein großer weißer Schwan.
Als 1920 die ersten Kommunalwahlen der Weimarer Republik stattfanden, zogen auch die ersten Landauerinnen in den Stadtrat. Auch in der Provinz hatten über 90 % der weiblichen Wahlberechtigten von ihrem neuerworbenen Stimmrecht Gebrauch gemacht. Offenbar hatten die politische Krisensituation, das Erlebnis des Zusammenbruchs alter Mächte und Gewalten am Ende des Ersten Weltkrieges Frauen in besonderer Weise politisiert und zur Teilnahme am politischen Prozess motiviert. „Vier Stadtmütter neben 26 Stadtvätern“, wie dies in der Landauer Presse formuliert wurde, hatten nun in der schwierigen Nachkriegszeit die Verantwortung für die kommunale Politik.
Emma Maxon für die Deutsche Volkpartei, Lina Kößler für das Zentrum, Katharina Peters für die SPD und Luise Harteneck für die Deutsche Demokratische Partei waren die ersten Landauerinnen, die nun die kommunale Politik mitgestalten konnten.
Möglicherweise kommen Ihnen diese Namen bekannt vor: Im Wohngebiet Quartier Vauban sind Straßen nach diesen ersten Landauer Politikerinnen benannt.
Allerdings blieb nur Emma Maxon bis 1933 als Stadträtin aktiv, Katharina Peters starb bereits 1924 und Luise Harteneck und Lina Kößler schieden während der Weimarer Republik wieder aus. Jedenfalls waren auf Anhieb 12% der neuen Stadträte weiblich, ein Prozentsatz, der erst 1974 wieder erreicht wurde! Nebenbei, heute sind es 40%.
Katharina Peters war eine der ersten vier Stadträtinnen in Landau und eine der ersten Frauen in der Landauer Sozialdemokratie, deren Ortsverein 1905 im Traditionslokal „Zum Trifels“ in der Theaterstraße gegründet wurde. Obwohl Landau aufgrund seiner wirtschaftlichen und sozialen Struktur sicher keine sozialdemokratische Hochburg war, hatte man von Beginn an versucht, auch Frauen in die Parteiarbeit zu integrieren.
Besonders aktiv war Katharina Peters. Sie wurde 1883 in Steinweiler in proletarischem Milieu geboren, später heiratete sie den Schuhmachermeister Bernhard Peters, der zu den Gründungsmitgliedern der Landauer SPD gehörte. Die Genossin war redegewandt und von Anbeginn in die Parteistrukturen integriert. 1920, nur wenige Monate nach dem Erlangen des Frauenwahlrechts in Deutschland, wurde sie für die Landauer Kommunalwahlen auf dem aussichtsreichen fünften Listenplatz platziert. Die Geschäftsfrau und Mutter von vier Kindern war nun vier Jahre lang im städtischen Armenrat, im Wohnungs- und im Schulpflegschaftsausschuss tätig. Vor allem in dieser unmittelbaren Hilfe von Frau zu Frau, im sozialen Einsatz für notleidende Frauen und Familien konnten die Landauer Stadträtinnen ihre persönlichen Lebenserfahrungen für sich selber und ihre „Klienten“ gewinnbringend einsetzen. Hier ging es um die eigene Sache, um kleine, aber wirksame und sehr konkrete Schritte aus der Not, die das Alltagsleben allzu vieler Landauer Familien in der Nachkriegszeit prägten. Doch schon im November 1924 starb Katharina Peters im Alter von erst 41 Jahren.
Sie hatte sich „viel Achtung“ erworben, denn wie der „Landauer Anzeiger“ berichtete, „begleitete ein übergroßer Trauerzug sie auf ihrem letzten Weg“ und der damalige Oberbürgermeister Dr. Ludwig Ehrenspeck widmete ihr „herzliche Worte des Gedenkens“.
Victor Weiss wurde am 5. September 1868 in Landau geboren. Gemeinsam mit seiner Frau Lucie Neuschüler aus Kreuznach und seinen Kindern Rudolf und Emmy wohnte der stadtbekannte „Weisse Vikkes“ seit 1900 in der Martin-Luther-Straße 28.
Der erfolgreiche Ledergroßhändler war in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine geschätzte und anerkannte Landauer Persönlichkeit, die im kulturellen, sozialen und politischen Leben der Stadt eine besondere Rolle einnahm.
Von 1909 bis 1933 war er für die Deutsche Demokratische Partei Mitglied des Stadtrates, wobei er immer die meisten Personenstimmen auf sich vereinigen konnte. Noch 1930 wurde er mit über 3.800 Stimmen für die Legislaturperiode bis 1935 gewählt.
Er war in allen wichtigen Ausschüssen tätig und muss dort außerordentlich gute Arbeit geleistet haben, denn mehr als einmal wurde er von seinen Ratskollegen geehrt und ihm öffentlich Dank ausgesprochen.
Bereits während des Ersten Weltkrieges setzte er sich für seine Stadt und ihre Bewohner ein und zeigte ein ungewöhnlich großes soziales Engagement. So errichtete er mit seiner Frau 1915 die „Victor und Lucie Weiss-Stiftung“ mit einem beachtlichen Stiftungsvermögen. „In Anbetracht der allgemeinen Not“ sollten „an hiesige, vom Felde heimgekehrte bedürftige und würdige Krieger oder an deren Familien“ Geldspenden verteilt werden. Nicht nur der Stadtrat würdigte diesen Einsatz, auch Landauer Soldaten an der Front sandten Dankesbotschaften an die Familie Weiss. Noch zeigte man sich stolz ob solcher Mitbürger. Doch nicht nur Geldmittel stellte die Stiftung bereit, Victor Weiss sorgte auch für Sachleistungen für bedürftige Landauerinnen und Landauer. So finanzierte er eine „Milchanstalt“ mit mehr als 500 Milchkühen, die die Milchversorgung in der Stadt während des Krieges sicherstellte, und er verteilte Schuhe und Schokolade in Landauer Schulen. Noch Jahre nach dem Krieg ließ das Ehepaar Weiss Weihnachtsgeschenke für bedürftige Landauer Schulkinder und Heizmaterial für „arme Personen“ ausgeben.
Auch der örtliche Zweig des Hilfsvereins des Bayerischen Roten Kreuzes profitierte lange vom Engagement des mittlerweile zum Kommerzienrat ernannten Landauer und wies daraufhin, dass sein „Ehrenführer“ sich in „treuer Pflichterfüllung in hervorragender Weise“ verdient gemacht habe. Doch er war nicht nur sozial tätig, er sorgte auch für eine ganz besondere Attraktion in Landau: Im September 1911 landete der erste Zeppelin, die „Schwaben“, auf dem Ebenberg und Weiss war derjenige, der diese Veranstaltung Monate vorher organisiert und vorangetrieben hatte. Tausende Pfälzer und Landauer erlebten dieses Ereignis nun mit. Weiss war geradezu das Paradebeispiel eines assimilierten Juden, der sich an die Gewohnheiten und Bräuche seiner nichtjüdischen Umgebung angepasst hatte. Er war Teil eines jüdischen Bildungs- und Wirtschaftsbürgertums, das sich in der Gestaltung des Familienlebens, in der ästhetischen Ausstattung der Wohnverhältnisse, in Bildungsidealen und beruflichen Perspektiven seiner bürgerlich-christlichen Umwelt angeglichen hatte. Er empfand sich nicht in erster Linie als Jude, er sah sich als Landauer, als Deutscher, der sich auch in Krisenzeiten seines Landes als zuverlässig und tatkräftig erwies.
Dies bewies er einmal mehr zu Beginn der 1920er Jahre, als separatistische Strömungen für politischen Wirbel sorgten. Als Gegner der „Autonomen Pfalz-Bewegung“ kümmerte er sich vor allem um Gleichgesinnte, die 1924 aus Pirmasens flüchten mussten. In einer Nacht-und Nebel-Aktion verhalfen der Sohn Rudolf und ein Landauer Freund „10 Pirmasenser Herren“ zur Flucht über den Rhein. Bemerkenswerterweise war unter jenen Herren auch der spätere Kreisleiter von Pirmasens.
Die nationalsozialistische Machtergreifung beendete das öffentliche Leben von Victor Weiss abrupt. Er wurde in Zeitungen und auf Parteiveranstaltungen der Landauer Nationalsozialisten angefeindet und schließlich für kurze Zeit inhaftiert. Am 12. März 1933 legte er sein Ratsmandat nieder, zu groß waren der Druck und wohl auch die Erschütterung und der Schmerz über die öffentlichen Demütigungen der neuen Machthaber gegenüber einem Mann, der sich immer als mit Landau zu tiefst verbundener Mensch gezeigt hatte. Einen Tag später flüchtete Weiss mit seiner Frau nach Wiesbaden, in Landau hielt ihn nichts und niemand mehr. Nur wenige schienen Bedauern empfunden zu haben. Einige schrieben ihm nach Wiesbaden und bedankten sich bei ihm für sein Engagement. Auch der Theaterverein hielt ihm die Treue und entließ den jüdischen Mitbürger nicht aus seinen Reihen. Erst 1938 kündigte er selbst seine Mitgliedschaft. Und es gab nun endgültig kein Zurück mehr. Am 29. August 1942 nahm sich Victor Weiss in Anbetracht der bevorstehenden Deportation nach Theresienstadt in Wiesbaden mit Gift das Leben.
Im Wohnpark Am Ebenberg ist seit 2011 eine Straße nach ihm benannt.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 bildeten sich bald vielerorts Widerstandsgruppen. Aktiven Widerstand leisteten in den Anfangsjahren des NS-Regimes vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten, die nach dem 30. Januar 1933 besonders unter Verfolgung und Terror zu leiden hatten. Einer dieser Widerstandskämpfer war der Landauer Sozialdemokrat Heinrich Stützel. Der gebürtige Landauer wurde am 20.10.1899 geboren. Von Beruf war er Schneider, er war verheiratet und hatte vier Kinder.
Heinrich Stützel war schon seit Ende der 20er-Jahre in Landau im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, in der sozialistischen Arbeiterjugend und gewerkschaftlich organisiert. Wie andere Sozialdemokraten beteiligte er sich zu Beginn der 1930-er Jahre an zahlreichen Demonstrationen gegen die NSDAP und geriet zunehmend in deren Visier. Nun im Frühjahr 1933, die „Machtergreifung“ wurde auch in der Provinz vollzogen, wurde er wie viele andere politisch missliebige und jüdische Männer in sogenannte „Schutzhaft“ genommen. Über einen Monat, von März bis April 1933, musste er nun mit anderen südpfälzischen Häftlingen in der Fortkasene, im Bereich, des heutigen Universitätscampus, einen Fußballplatz für die HJ anlegen.
Im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien hatte sich die SPD im März 1933 geweigert, dem „Ermächtigungsgesetz“ Hitlers zuzustimmen. Daraufhin wurde ihr am 22. Juni 19330 jegliche politische Tätigkeit verboten. Anfang 1934 nahmen nun auch Vertrauensleute der einzelnen pfälzischen SPD-Gruppierungen in der Südpfalz erstmals Kontakt zueinander auf und verabredeten ein gemeinsames Treffen. Das Treffen fand am 6. Mai 1934 im Pfälzer Wald am Asselstein, einem Felsen bei Annweiler, statt. Man hatte dieses Datum gewählt, da Josef Goebbels, mittlerweile Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, auf einer Grenzlandkundgebung in Zweibrücken sprach, und das Risiko, entdeckt zu werden, relativ gering erschien. Die genaue Anzahl der Teilnehmer des Treffens ist unbekannt, es müssen mindestens elf Personen gewesen sein. Um die jeweiligen Personen zu schützen, wurden Pseudonyme benutzt, Heinrich Stützel erhielt den Decknamen „Lauf“.
Man beschloss die illegale Tätigkeit stärker zu vernetzen, neue Widerstandsgruppen zu bilden, Schulungsabende zu veranstalten und Flugblätter zu verteilen. Weitere Treffen fanden im Juli unter anderem auch in Landau statt. Ende Juli 1934 wurde die Widerstandstruppe jedoch denunziert und aufgedeckt. Ende September wurden die meisten Teilnehmer des Asselstein Treffens festgenommen und im Mai 1935 vom Obersten Landgericht München verurteilt. Heinrich Stützel wurde am 17. Mai 1935 wegen eines „Verbrechens der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte nach Strafende auf die Dauer von fünf Jahren aberkannt.
Im Januar 1937 wurde er aus dem Zuchthaus in Straubing entlassen, und er kehrte zu seiner Familie nach Landau zurück. An eine geregelte Berufstätigkeit war nun nicht mehr zu denken: Wöchentlich musste er sich polizeilich melden, eine Anstellung erhielt er weder in Landau noch in anderen Städten kaum noch. Die Gestapo meldete stets die „politische Unzuverlässigkeit“ an potenzielle Arbeitgeber. Bis nach Kiel verschlug es den Familienvater, ehe er dann ab Herbst 1939 endgültig in Landau bei verschiedenen Schneidern eine zumindest zeitlich begrenzte Anstellung fand. Auch stand er weiterhin unter besonderer Kontrolle der Gestapo Neustadt. Vor allem seine Ehefrau und die noch minderjährigen Kinder müssen unter dieser Stigmatisierung als „Verräter“ ganz besonders gelitten haben.
Nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler in der Nacht vom 08.10.1939 im Münchner Bürgerbräukeller, wurde auch Heinrich Stützel in der Nacht erneut verhaftet und verhört. Vor allem nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er mehr als 40 Mal von der Neustadter Gestapo verhört, da er angeblich Kontakt zu elsässischen Widerstandskämpfern gepflegt habe.
Heinrich Stützel starb im März 1951, 2011 wurde eine Straße nach ihm im Wohnpark Am Ebenberg benannt.
„Landau ist mir das Liebste, was es gibt." Diese Worte von Lore Metzger kennzeichnen die Nähe und enge Verbundenheit zu ihrer Heimatstadt.
Die Landauer Jüdin wurde als Lore Scharff am 3. November 1920 in unserer Stadt geboren und wohnte mit ihrer Familie, der Vater war Lederhändler, im Südring 1. 1938 erlebte sie als junge Erwachsene den Brand ihrer Synagoge aus nächster Nähe. Sie schrieb ihre Erlebnisse nieder, bis heute sind diese eine erschütternde Beschreibung der Tage und Nächte um den 9. November 1938. Die elterliche Wohnung wurde durchsucht, der Vater in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Die Familie konnte im Dezember 1938 in die USA flüchten. Dort traf Lore ihren ehemaligen Religionslehrer, den letzten Landauer Rabbiner Kurt Metzger, wieder. Sie heirateten im Dezember 1942, fünf Jahre später kam Sohn Ralph zur Welt. Kurt Metzger wurde am 10.12.1909 in Nürnberg geboren. Nach seinen Studien, die er mit der Promotion in Philosophie abschloss, wurde er als Rabbiner nach Landau berufen, wo er von 1935 bis 1938 als Nachfolger von Berthold Einstein in den jüdischen südpfälzischen Gemeinden wirkte. Sein besonderes Augenmerk galt der jüdischen Jugend. 1927 hatte er bereits in Nürnberg eine Ortsgruppe des „Jüdischen Jugendbundes“ gegründet. Auch in Landau entstand auf seine Initiative eine solche Gruppierung. Er amtierte bis 1936 als Vorsitzender in der Ortsgruppe des Jüdischen Kulturbundes der Pfalz und redigierte das „Jüdische Gemeindeblatt“.
Am 10. November 1938, einen Tag nach dem Brand der Synagoge, wurde auch er verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Nach seiner Entlassung musste er in seine Heimatstadt Nürnberg zurückkehren und konnte im Oktober 1939 in die USA flüchten, wo er bis zu seinem Tod als Rabbiner wirkte.
Für Lore Metzger war es ein Lebenstrauma, dass sie ihre geliebte Stadt verlassen musste. Hier war sie die behütete Tochter aus gutem Haus, dort ein Flüchtling mit zunächst wenigen Englisch-Kenntnissen und noch weniger finanziellen Ressourcen und kaum einer gesellschaftlichen Anbindung. Und das Ehepaar war in ganz besonderer Weise mit Landau verbunden. Bereits 1961 besuchten die Metzgers zum ersten Mal Landau, viele Besuche sollten folgen. Beide waren immer vor Ort, wenn ihre Hilfe und ihr Netzwerk zu anderen geflüchteten Landauer Juden und Jüdinnen benötigt wurden. Die Realisierung des Synagogenmahnmals im Jahr 1968 oder die Nutzung des Frank-Loebschen-Hauses als Ort der Begegnung mit einem eigens ausgestatteten Synagogenraum wäre ohne sie kaum denkbar gewesen. Vor allem viele Landauer Schülerinnen und Schüler konnten von den autobiografischen Erzählungen der beiden Zeitzeugen profitieren. Kurt und Lore Metzger reichten die Hände zur Versöhnung. Nicht zuletzt ihnen ist es zu verdanken, dass sich die Landauer Stadtgesellschaft mit ihrer Geschichte auseinandersetze und sich ihr stellten.
1987 wurden beide mit der Ehrenplakette der Stadt Landau für ihr vielfältiges Engagement für unsere Stadt ausgezeichnet. Kurt Metzger starb am 13. März 1992 in den USA und wurde wunschgemäß auf dem jüdischen Friedhof in Landau bestattet. Seine Frau Lore erhielt 2005 das Bundesverdienstkreuz und besuchte bei dieser Gelegenheit zum letzten Mal ihre Heimatstadt. Sie starb am 19. März 2010 in Florida, wo sie auch bestattet wurde.
Ursula Much wurde am 26.12.1887 in Bad Tölz geboren. 1908 heiratete sie Konrad Berghammer. Seit 1911 lebte die vierköpfige Familie in der Pfalz, zunächst in Frankenthal, wo Konrad Berghammer als Baurat in der städtischen Verwaltung tätig war.
Während des Ersten Weltkriegs war Ursula Berghammer, wie viele pfälzische Frauen, als Kriegsfreiwillige an der sogenannten „Heimatfront“ karitativ tätig und wurde 1920 mit dem Verdienstkreuz für freiwillige Pflegekräfte ausgezeichnet.
Nach dem Krieg, 1920, verzog die Familie nach Landau. Auch hier war der Gatte Konrad als Baurat tätig. Auch in Landau setzte sie ihr sozialkaritatives Engagement fort, sie engagierte sich beim Deutschen Roten Kreuz, im katholischen Frauenbund und in dem nach dem ersten Weltkrieg so wichtigen städtischen Wohlfahrtsamt. 1929 wurde sie Mitglied in der Bayerischen Volkspartei, dem bayerischen Zweig des politischen Katholizismus, der Zentrums-Partei. Und sie war damit eine der wenigen Frauen, die in der Weimarer Republik auch politisch aktiv waren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte sie nun zu jenen, die 1945 eine neue christlich-orientierte demokratische Partei aufbauten. Im Mai 1945 war sie Gründungsmitglied der Christlich-Demokratischen Partei, der späteren Ortsgruppe der Landauer CDU.
Und als Vertreterin in der pfälzischen Christlich-Demokratischen Partei, einer der Vorläuferparteien der rheinland-pfälzischen CDU, gehörte Ursula Berghammer zu den wenigen Frauen, die als Mitglied in die Beratende Landesversammlung nach Mainz entsandt wurden und im August 1946 über den Verfassungsentwurf für das neugeschaffene Land RLP berieten. Sie blieb bis zu ihrer letzten Sitzung am 25. April 1947 Mitglied der Versammlung, die aus 147 Mitgliedern, davon nur sechs Frauen, bestand. Sie war jedoch nicht Mitglied ihres Nachfolgeorgans, des Landtags von Rheinland-Pfalz.
In Landau gehörte sie 1946 und 1948 neben Antonie Fuß (KPD) und Anna Buck (SPD) dem Landauer Stadtrat an. Als sie von einem männlichen Landauer Ratsmitglied mit der Frage konfrontiert wurde, was Frauen in der Politik zu suchen hätten, konterte sie mit ihrem stark ausgeprägten bayerischen Dialekt schlagfertig: „So wie ihr Männer, hätten wir Frauen den Krieg auch verlieren können.“
1949 erlitt sie jedoch einen schweren Schlagfall, sie verzog mit ihrem Mann nach München und starb dort im September 1957.
Ist die Rede von Elisabeth Mahla, findet häufig eine Kontextualisierung mit ihren männlichen Vorfahren statt. Dabei ist dies gar nicht nötig – die Persönlichkeit Elisabeth Mahla steht für sich, ihr Ansehen erarbeitete sich die einzige Ehrenbürgerin Landaus selbst.
Die 1889 in Landau geborene Elisabeth Mahla verfolgte einen für bürgerliche Mädchen aus besseren Kreisen vorgesehenen Bildungsweg. Erst besuchte sie die Städtische Höhere Töchterschule, das heutige Max-Slevogt-Gymnasium. Danach studierte sie Kunstgeschichte an der Universität Straßburg. Eine studierte Frau war zu dieser Zeit noch eine Seltenheit. Dieser Tatsache schien sich auch Mahla bewusst zu sein. Sie forderte mehr Rechte für Frauen, vor allem auch das Recht auf Bildung und auf bessere Erwerbsmöglichkeiten. In der Frauenverbandsarbeit setzte sie sich, zusammen mit anderen Frauen, aktiv für diese Ziele ein. Eines ihrer Projekte, das der Verwirklichung dieser Ziele näherkommen sollte, war die Gründung einer Frauenarbeits- und Handelsschule für Mädchen in Landau nach dem Ersten Weltkrieg. Bis 1944 oblag ihr die Schulleitung. Zeit ihres Lebens engagierte sich Mahla in zahlreichen Frauenvereinen- und initiativen auf kommunaler Am 10. Februar 1949 gründete sie mit 37 anderen Frauen die Ortsgruppe des Frauenrings Landau, dem sie auch auf landes- und bundesweiter Ebene lebenslang verbunden war.
Ihre Aufgaben in Landau bestanden neben der sozialen Arbeit vor allem in der staatsbürgerlichen Bildung der Landauer Frauen. Das heißt, sie organisierte Versammlungen, Vorträge und Tagungen, in denen Landauerinnen zusammenkamen und sich vernetzten. Es wurde über die aktuellen Geschehnisse und gesellschaftlichen Probleme diskutiert, wodurch die Meinungsbildung und Urteilskraft von Frauen gestärkt werden sollte.
Neben den Frauenvereinen setzte sich Mahla auch für sozial benachteiligte Menschen ein. So war sie zum Ende des Ersten Weltkrieges in der Kinderspeisung und der Volksküche Landau aktiv. Außerdem verteilte sie Spenden der ausländischen Mennoniten- und Quäkergemeinden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es Mahla ein wichtiges Anliegen, die Beziehungen nach außen, insbesondere nach Frankreich, zu stärken. Sie knüpfte beispielsweise freundschaftliche Kontakte zwischen den Frauenorganisationen Landaus mit denen der französischen Partnerstädte. Zu ihrem 70. Geburtstag im Jahr 1959 war es dann so weit: Elisabeth Mahla erhielt die Ehrenbürgerwürde. Oberbürgermeister Dr. Kraemer verlieh sie mit folgenden Worten: „Glücklich die Stadt, in der es noch Frauen gibt, die in einer im Umbruch befindlichen Gesellschaftsordnung noch Vorbild sein können (…)“. Das Elisabeth Mahla ein Vorbild für viele Menschen in Landau war, steht außer Frage. Bis heute ist sie übrigens die einzige Frau unter den Ehrenbürgern Landaus – und das, obwohl die Zeit sich noch viele weitere weibliche Vorbilder hervorgebracht hat.
Elisabeth Dannheisser wurde am 17.09.1891 in Landau als Tochter von Friederike Stern und Emil Dannheisser, einem Landauer Kaufmann, geboren. Die jüdische Familie lebte in der Westbahnstraße 24. Der Großvater, Salomon Dannheisser, leitete hier einen Kolonialwarengroßhandel, der als Familienbetrieb geführt wurde. Im Jahr 1900 verzog Elisabeth mit ihren Eltern nach München. 1911 bestand sie dort ihre Reifeprüfung am Maximiliansgymnasium. 1912 heiratete sie den Elektroingenieur Josef Hölzl.
Sie studierte in Erlangen und an der TU München Natur- und Staatswissenschaften. 1922 promovierte sie mit dem Thema: „Die Gemeindefinanzen der Stadt Fürth in Bayern von 1808-1903“. Während des Studiums und der Promotion lebte sie mit ihrem Mann in Fürth. Sie war Mitglied der SPD und wurde nach dem Ersten Weltkrieg als eine der ersten Fürther Stadträtinnen 1919 in den Stadtrat gewählt, dem sie bis 1922 angehörte. Als Mitglied des Stadtrates war sie im Wohlfahrts- und Fürsorgeausschuss sowie im Finanz- und Wirtschaftsausschuss tätig. Insbesondere in der Nachkriegszeit nach dem Ersten Weltkrieg setzte sie sich für die Belange der Frauen ein, deren Stellen offensichtlich zu Gunsten von Kriegsheimkehrern abgebaut wurden.
1922 verzog das Ehepaar nach Freiburg, ihr Ehemann Joseph war dort zum SPD-Bürgermeister gewählt worden. 1926 wurde ihr Sohn Franz geboren. In Freiburg setzte sie ihre sozialpolitischen Tätigkeiten als Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in verschiedenen Bereichen fort.
Die nationalsozialistische Verfolgung der Familie setzte sofort im März 1933 ein. Josef Hölzl wurde aus seinem Amt entfernt, 1936 starb er an einem Gehirnschlag.
Im Februar 1939 gelang Elisabeth die Flucht mit ihrem Sohn nach England. Dort schlug sie sich als Fabrikarbeiterin und Hausmutter in Privatschulen durch. Im April 1940 heiratete sie den ebenfalls aus Deutschland geflüchteten Fritz Wallach. Im Mai 1943 wanderte die Familie in die USA aus, 1946 wurde Elisabeth in New York eingebürgert. Dort baute sie sich eine neue Karriere als Mitarbeiterin im Labor einer Universitätsklinik in New York auf.
Elisabeth Dannheisser ist eine typische Vertreterin der jungen jüdischen Generation in der Weimarer Republik. Gebildet, berufstätig, selbständig und emanzipiert ging sie ihren Weg auch in der Emigration und konnte damit das Überleben ihrer Familie sichern.
Die gebürtige Landauerin starb am 17.7.1976 in New York, seit 2018 ist eine Straße in Fürth, die Dr. Elisabeth-Hölz-Straße nach ihr benannt.
Malerin, Bildhauerin, Kunstkritikerin, Fotografin, Schmuck- und Hutdesignerin, Performance- und Happeningkünstlerin: Lil Picard war ein künstlerisches Multitalent und fest integriert in der amerikanischen Popkultur und Avantgarde der Nachkriegszeit.
Sie wurde als Lilli Elisabeth Benedick am 4. Oktober 1899 in Landau als Tochter des jüdischen Ehepaares Jakob Benedick und Rosalie Avellis in Landau geboren. Der Vater war Mehlgroßhändler, er stammte aus Albersweiler, die Mutter war eine gebürtige Nürnbergerin. Die Familie verzog nach Straßburg, wo Lilly eine unbeschwerte Kindheit und Jugend verbrachte. Schon früh zeigte sich ihr rebellischer Charakter, gegen den Willen ihrer Eltern zog es sie in das Berlin der jungen Weimarer Republik. Dort war sie einige Jahre mit dem Konstanzer Verlagsvertreter und Antiquar Fritz Picard verheiratet. Die junge Landauerin studierte Kunst und Literatur, nahm Ballett- und Gesangsunterricht, spielte in Cabaret-Revuen und hatte sogar einen kurzen Auftritt im Film „Varieté“ mit Emil Jannings. 1926 wurde die Ehe geschieden, Lil Picard zog es nun nach Wien. 1933 kehrte sie nach Berlin zurück, wo sie sich verstärkt ihrer journalistischen Arbeit bei Berliner Zeitungen widmete.
1935 heiratete sie den Bankier Hans Felix Jüdell, 1936 floh das Paar vor den Nationalsozialisten nach New York. Dort fand sie endlich das Ambiente, das ihren künstlerischen Neigungen entsprach, und sie wurde für viele Jahre eine Trendsetterin in der New Yorker Künstler- und Pop Art-Szene. Ihr vielseitiges Werk umfasst Lyrik, Malerei, Collagen, Assemblagen, Fotografien, Filme, Happenings und Performances. Picard wurde als bildende und intermediale Künstlerin durch ihre feministisch geprägten Performances bekannt. Außerdem war sie in der Anti-Vietnam Krieg Bewegung mit künstlerischen Arbeiten aktiv beteiligt. 1965 lernte Lil Picard Andy Warhol kennen und unterhielt enge Beziehungen zu anderen Künstler und Künstlerinnen der sogenannten „Warhol Factory“. Ab 1976 wirkte sie zudem in mehreren Filmen, u.a. in Rosa von Praunheims New-York-Film „Underground and Emigrants“ mit und war außerdem als Kritikerin für diverse Kunstzeitschriften und Zeitungen tätig.
Lil Picard starb am 14. Mai 1994 in New York.
Jeder Landauer Leichtathlet und Leichtathletin kennt sie: Die Grande Dame des Landauer Sports: Olympiateilnehmerin, Medaillengewinnerin, europäische Top-Läuferin.
Katharina Anna Krauß wurde am 29. Oktober 1906 in Dresden geboren, ihre Eltern Arthur und Anna Krauß stammten aus einfachen Verhältnissen. Die junge Käthe startete für den Dresdner SC und trainierte bei dem späteren Reichstrainer Woldemar Gerschler.
Sportlich gesehen war sie eine Allrounderin: Insgesamt stellte sie zehn Weltrekorde auf und gewann 15 deutsche Titel in den Sprintdisziplinen, im Weitsprung und im Fünfkampf. Höhepunkt ihrer sportlichen Kariere war die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Vor einer begeisterten Zuschauermenge gewann sie die Bronzemedaille im 100-Meter-Sprint der Frauen in 11,9s. Natürlich stellt sich dabei die Frage, inwieweit sie in das nationalsozialistische Sportsystem eingebunden war. Erst relativ spät, 1937, also nach den Berliner Spielen, trat sie in die Partei ein. Vermutlich war dies die Voraussetzung, dass sie von 1937 bis 1945 als Frauendelegierte im Deutschen Leichtathletik-Verband fungieren konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg lässt sie sich 1947 in Nordrhein-Westfalen nieder. Im Frühjahr 1950 kommt sie in die Pfalz, nach Landau und wohnt zunächst im Wolfsweg. Der langjährige Verbandspräsident Gerd Hornberger war wie Käthe Krauß Olympiateilnehmer und Medaillengewinner, er holte die Sportkollegin in die Pfalz.
Seit 1952 betrieb Käthe Krauß nun gemeinsam mit ihrer Cousine Eva von Haugwitz ein Sport-und Trachtengeschäft in der Kapuzinergasse 4. Fünf Jahre später erweiterte sie ihr Geschäft in der Kramstraße 1. Viele ehemaliger Sportler und Sportlerinnen erinnern sich noch an ihren gutsortierten Laden. Sympathisch, zugewandt und warmherzig, so hatten sie viele in Erinnerung: diejenigen, die Fußballer, die in ihrem Geschäft ihre ersten Fußballschuhe erwarben oder die Leichtathleten, die zu ihr als Trainerin nach Landau oder Edenkoben kamen. Käthe Krauß war weit über die Stadtgrenzen bekannt. Eine ganze Leichtathletikgeneration profitierte von ihrem Sachverstand, den sie als erste Verbandstrainerin im Leichtathletikverband Pfalz einbrachte. „Wenn Sie fertig sind, müssen Sie ein nasses Trikot haben“ war beim Training eines ihrer geflügelten Worte. 1958 publizierte sie als Mitautorin ein grundlegendes Trainingswerk zum Kurzstreckenlauf, das zahlreiche Auflagen erfuhr. Dabei hatte sie noch ganz andere Talente, sie war kulturell sehr interessiert und galt als eine ausgezeichnete Pianistin. Käthe Krauß starb am 9. Januar 1970 in Mannheim. Das Sportgeschäft übernahm nun Eva von Haugwitz mit Sitz in der Ostbahnstraße.
Heute erinnert der Käthe-Krauß-Wanderpokal an die Landauer Sportlerin. Seit 1971 verleiht der Turnverein 1861 im ASV Landau diese Auszeichnung an herausragende lokale Leichtathleten, Trainer und Trainerinnen und für außergewöhnliche ehrenamtliche Aktivitäten. 44 Preisträger und Preisträgerinnen gibt es mittlerweile, sie alle sind „Landaus würdigste Leichtathleten“, wie es in der Urkunde formuliert ist. Der Pokal stammt aus der Vitrine von Käthe Krauß. Genau wissen wir es nicht, vermutlich erhielt sie ihn bei den Europameisterschaften 1938 in Wien, wo sie im 100- und im 200-Meter-Sprint die Silbermedaille erlief. Die erste Preisträgerin war die Landauer Leichtathletin Bärbel Leschke, die letzten Preisträger sind zwei „Externe“, Johan Engholm und Jan Samuelsson vom Hässelby SK. Sie erhielten die Auszeichnung für ihr unermüdliches Engagement für die über 50-jährige Partnerschaft der Landauer Leichtathleten mit dem schwedischen Partnerverein. Im nächsten Jahr wird sicher wieder ein würdiger Preisträger oder eine Preisträgerin dann für ein Jahr diesen schönen Pokal in der eigenen Vitrine zur Schau stellen dürfen.
Erst wenn er an seinem Platz in der ersten Reihe in der Landauer Festhalle saß, ging das Licht aus, und die Vorstellung konnte beginnen: 25 Jahre lang war Max Krämer im wahrsten Sinne tonangebend für das städtische Kulturprogramm in der Nachkriegszeit von 1945 bis 1971. Er war ein Glücksfall für die Stadt, er engagierte internationale Stars der klassischen Musik und Schauspielensembles und begründete damit den Ruf der Stadt als regionale Kulturmetropole.
Max Krämer wurde am 02.08.1906 in Landau geboren, er stammte aus einfachen, aber kulturell interessierten Verhältnissen. Der Sohn des Gemeindepolizisten Georg Krämer und seiner Frau Katharina Berger hatte musikalisches Talent und war als Geigenspieler und Tenor im regional bekannten „Krämer Quartett“ mit dem Spitznamen „Beethoven“ durchaus erfolgreich. Für einen Broterwerb mit der Musik waren die frühen 1920er-Jahre wirtschaftlich jedoch zu unsicher. Nach dem Besuch des Humanistischen Gymnasiums schien eine bodenständige Ausbildung zum Verwaltungsangestellten bei der Stadtverwaltung Landau die klügere Wahl, und hier blieb er als Verwaltungsmann bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1971.
Im Oktober 1945, wenige Monate nach Kriegsende, wurde er zum ersten Kultur- und Sportamtsleiter der Stadt berufen. Politisch war er unbelastet und die kongeniale Besetzung für diese wichtige Verwaltungsposition, da die französische Kulturpolitik in der Nachkriegszeit als ein zentraler Bestandteil der Demokratisierungspolitik nach 1945 fungierte.
Im Januar 1946 war es dann soweit, in der von der Besatzung freigegebenen Festhalle konnte der erste von Max Krämer organsierte Opernabend stattfinden. Nach der Diktatur folgte dann im April mit Lessings „Nathan der Weiße“ das große humanistische Lehrstück auf der Bühne der Festhalle. Das Kulturleben begann rasch aufzublühen, die Landauerinnen und Landauer hungerten geradezu nach Kultur und auch nach Ablenkung von den Sorgen und Ängsten der Nachkriegszeit. Und alle kamen nach Landau: Zeitgenössische Stars wie Zahrah Leander, Lale Andersen, Rudi Schuricke und Peter Frankenfeld, die eher das Bedürfnis nach „leichter Muse“ bedienten. Aber auch Will Quadflieg, Gustav Gründgens und die Opernsänger Anna Moffo und Hermann Prey waren zu Gast in der „theater- und opernfreudigsten Stadt zwischen Rhein und Saar“. Krämers größter Coup war allerdings das Engagement der Berliner Philharmoniker mit ihrem Dirigenten Wilhelm Furtwängler im Mai 1952. Es wehte ein Hauch der großen Welt durch Landau, als das weltweit gefeierte Orchester mit einem Sonderzug am Landauer Hauptbahnhof ankam. Wie immer legte Max Krämer großen Wert auf eine adäquate Bewirtung der Gäste, natürlich mit pfälzischen Weinen und der obligatorischen Pfälzer Schlachtplatte, die nach den Auftritten meist im Hotel Körber kredenzt wurden. Und die Berliner kamen wieder, mit Hans Knappertsbusch und 1968 mit Herbert von Karajan. Mehr Prominenz ging nicht, es war der Höhepunkt für Max Krämers Kulturarbeit. Und es war vor allem Krämers Hartnäckigkeit, Chuzpe und Charme zu verdanken, dass er die Großen ihrer Zunft nach Landau locken konnte. Dazu gehörte auch, dass er nach jeder Vorstellung der erste und lauteste Claqueur war, der mit anhaltenden Bravo-Rufen seinen Beifall zollte und das Landauer Publikum zu stehenden Ovationen animierte. Drei Jahre später ging er in den wohlverdienten Ruhestand, sein Nachfolger war Peter Orlob. Max Krämer starb nach kurzer Krankheit am 25. Februar 1981 in Landau.